Den Weg durch das Nadelöhr gesellschaftlicher Zugehörigkeit in Zeiten linksradikaler Diskurswillkür schafft nicht jeder. Je wendiger und charakterlich leichter man unterwegs ist, desto eher klappt das schnörkellose Gleiten durch die Gesellschaft. Die Anderen, die aufgrund ihrer inneren „Schwere“ damit hadern, müssen schon einen Großteil ihrer Energie auf das Anpassen verwenden. Und niemand sagt, wie es geht, denn Opportunismus und Verfügbarkeit als Mittel persönlicher Bereicherung sind ein ungeschriebenes Gesetz.

Wie also „vorwärts“ kommen in einem rückgratverkrümmten System? Durch fahrlässige Bücklingshaltung, gekonnte Kriecherei und eiskaltes Machtstreben! Wie überleben in einem durchideologisierten Klima? Durch Ignoranz und Scheuklappentum! Wie Mensch bleiben inmitten von Entmenschlichung? Gute Frage! Ist das möglich?

Was ist wohl nötig in einer entsolidarisierten Gemeinschaft, die sich der medialen Veräußerung und der infantilen Aufmerksamkeitssucht verschrieben hat, gleichzeitig jedoch von sich behauptet, „Gutes“ tun zu wollen und altruistisch zu sein? Die perfektionierte Heuchelei. Wie sehr man sich verleugnen und aufgeben muss? Nun, das kommt auf das Ziel an. Sie wollen hoch hinaus? Dann müssen Sie wissen, wo der Teleprompter steht, wann das Kameralicht angeht oder wie weit sich die Wirbelsäule verbiegen kann. Das sind die „Werte“, dank derer Sie diese Welt packen. Verschwenden Sie also keine Gedanken an andere Fähigkeiten, sofern Sie diese haben, wenn Sie Karriere machen wollen. In dieser Hinsicht ist das Altsystem tatsächlich „alternativlos“. Aber auch die, die nicht permanent im Rampenlicht stehen, wollen ein Stück vom bunten Kuchen haben, und dafür muss sich auch Hänschen Klein verkaufen.

Seien Sie also auf Knopfdruck fähig, die dümmsten Sprüche und die abgedroschensten Phrasen von sich zu geben, ohne ein Fünkchen Scham zu verspüren. Werfen Sie die tradierten Vorstellungen von Ethik und Moral einfach über Bord Ihrer sinkenden Titanic. Trainieren Sie sich Dummheit an und Klugheit ab. Fragen Sie nicht nach, gehorchen Sie. Sollten Sie dazu nicht imstande sein, dann bleibt ja noch Auswandern. Oder sterben Sie innerlich tausend kleine Tode Ihrer Seele. Für Inspiration ist schließlich kein Platz, für Indoktrinierung hingegen reichlich.

Haben Sie keine Skrupel, die Schwester zu verraten und den Bruder zu verstoßen. Nicht Blut ist dicker als Wasser, sondern Geld und Macht sind mehr wert als Stand. Darauf kommt es an. Und mindestens springt das gute Gefühl dabei heraus, zu den „gesellschaftlich Geachteten“ zu zählen. Wenn das nichts ist. Hörig zu sein hat enorme Vorteile in einer Welt, die Aufrichtigkeit verachtet. Seien Sie verfügbar, persönlich, geistig, sexuell, seien Sie beliebig, vor allem, wenn es dem Weiterkommen dient. Dann lebt es sich leicht und reibungslos. Denn nichts erzürnt die Wächter des Totalitären mehr als die Individualität inmitten einer grauen Masse Angepasster. Dann schlagen sie zu, mit der vollen Härte des Unrechts.

Sie verweigern eine Mitgliedschaft im Club der Bessermenschen? Das ruft die Gesinnungsgewerkschaft und die Untersuchung Ihres Privatlebens bis in jede intime Zelle auf den Plan! Sie zeigen fehlende Ovationen für das Zentralkomitee? Disziplinarverfahren! Sie studieren „Rechte“ Literatur? Es folgt Hysterie, mit anschließender Bücherverbrennung!

Da sind die Guten gnadenlos. Sie, ja Sie, gehören dem Staat der Supermoralisten, egal wie viele Garagen Sie besitzen oder Urlaube Sie sich leisten können. Sie arbeiten für sie, Sie lächeln für sie; Sie lieben wen und wie es Ihnen gesagt wird, wo es keine Geschlechter mehr gibt, ist wahre Anziehung verschwunden. Und Sie sterben auch für sie, kurz nach der Verrentung, vom Fließband fast direkt ins Grab. Wie unangenehm angenehm für die Herrschenden. Und das Publikum klatscht Applaus.

Der vollkommene Mensch in diesem verkommenen System ist nicht nur gläsern, er ist austauschbar, manipulierbar und nach vorheriger Entwurzelung entkernt. Und er will es so. Er ist der Traum der Kommunisten und Sozialisten (national wie international). Dieser Mensch ist ein Statist seiner eigenen Abschaffung und seine Helden sind Trendsetter des Totalitären. Dieser Mensch präsentiert perfekt und fleischgeworden die Ideologie der Gleichschaltung.

Er ist wie eine Maschine, dieser mittels des medialen Komplexes angezüchtete unselbständige Mensch, der sich der vermeintlichen Elite anbiedert und sich für deren Verantwortungslosigkeit verfügbar macht. Geben Sie sich also diesem Treiben hin, wenn sie geschützt in der Menge der Lemminge durch das Leben gehen wollen. Für alle Anderen bleibt der Charakter?!

 

Nadine Hoffmann