Im Herbst 1989 haben wir Deutsche gezeigt, wie man ein totalitäres Regime ohne Gewalt überwinden kann. Bei den Aufnahmen aus Leipzig und anderen Großdemonstrationen bekomme ich auch heute noch Gänsehaut. Und denke dabei an die eigenen Erlebnisse.
Gemeinsam mit meinem Vater und Schulkollegen war ich damals, 12 Jahre alt, in meiner Heimatstadt Ilmenau mit selbst gemalten Plakaten unterwegs. Ich erinnere mich noch gut an unsere Demonstrationszüge die Marktstraße hinauf, um dann über die Weimarer Straße und Poststraße zurück zur Stadtkirche zu laufen.
An den Vorabenden saßen wir zusammen bei meinem Schulkollegen mit dessen Mutter im Wohnzimmer und überlegten, was wir auf die Plakate schreiben. Auf dem Weg zur Demo geparkte Robur LKW mit Hundestaffel und bewaffneten Kräften. Später standen wir auf dem prall gefüllten Vorplatz vor der Ilmenauer Festhalle, um den aufrüttelnden Reden zuzuhören und zu applaudieren. Ich bin noch heute allen dankbar, die damals den Mut gefunden haben, sich dort zu versammeln. Im Staatsbürgerkundeunterricht versuchte der vom Sozialismus offenbar immer noch tief überzeugte „StaBü“-Lehrer uns laut brüllend zu disziplinieren, als wir kritisch hinterfragten.
Während vor der Festhalle in den Reden darüber gesprochen wurde, wie und ob eine Deutsche Einheit kommen könnte, wünschte ich mir, dass sie schnell kommen möge. Dass wir ein Volk sind und die historisch bedingte Teilung überwunden werden musste, das waren für mich keine Punkte, über die diskutiert werden musste. Dass es bereits in weniger als einem Jahr soweit sein sollte war allerdings wirklich erstaunlich. Und dass das alles schon wieder 30 Jahre her ist, auch.
Leider, und das gehört zur Geschichte dazu, hatte und hat die Wiedervereinigung auch ihre deutlichen Kehrseiten. Gebrochene Erwerbsbiografien in Mittel- und Ostdeutschland, die komplette Umorientierung einer Generation und mangelnde Anerkennung für das Geleistete, die sich bis heute in niedrigeren Löhnen und Renten manifestiert, sind nur ein kurzer Anriss des Ausmaßes. Als AfD kämpfen wir im Bundestag und Landtag für Renten- und Lohngerechtigkeit, hier möchte ich meinen Kollegen Jürgen Pohl, Rene Aust und ihren Kollegen für ihren Einsatz danken.
Die heutige Bundesrepublik ist leider auch nicht die freie Republik und Demokratie, die wir uns damals erträumt hatten. Wenn wir schon wieder soweit sind, dass demonstrierende Bürger als „Pack“ beschimpft werden (in der DDR waren das „Rowdys“ usw.) oder man sich am Arbeitsplatz bzw. der Öffentlichkeit „politische unkorrekte“ Dinge lieber zu sagen verkneift, weil man gesellschaftliche Ächtung bis hin zu tätlichen Übergriffen und ganz konkrete Nachteile wie den Arbeitsplatzverlust befürchten muss, ist das eine erschreckende Entwicklung.
Wenn Zeitungen nur allzu gerne regierungsfreundlich berichten und die größte Opposition in Deutschland – uns – übel diffamieren, tun sich in meinem ostdeutschen Gedächtnis Erinnerungen auf, als das, was nicht passte, als „Propaganda“ des „imperialistischen Klassenfeindes“ abgetan wurde, um im Anschluss die Übererfüllung der sozialistischen Pläne zu loben.
Nichts destotrotz sollten wir uns am heutigen Tag an der wiedererlangten Einheit unseres Vaterlandes erfreuen. Deutschland einig Vaterland! Und als AfD ist es uns ein Ansporn, die freiheitlichen Werte der Friedlichen Revolution wieder zu festigen und für ein gesundes Nationalbewusstsein zu kämpfen.
Ich wünsche uns allen einen schönen und besinnlichen Wiedervereinigungstag!
Quelle: Marcus Bühl, MdB