Sie haben nicht ernsthaft geglaubt, dass die Kanzlerin sich demütig und einsichtig vor die Presse stellen würde, angesichts des islamistischen Massenmordes in Manchester an mehr als zwanzig Menschen, um ihren Fehler, Grenzschließungen auszuschließen, durch das Verkünden sofortiger Grenzkontrollen zu korrigieren?
So wie Sie sicher nicht davon ausgehen, die in Deutschland ansässigen „Linken“ (als die sie sich bezeichnen) griffen nun geläutert als Folge des Terroranschlags bei einem Konzert, das vor allem von Kindern und Jugendlichen besucht wurde, zu Marx und läsen in ihrer kommunistischen Bibel einmal nach, was dieser zum Islam zu sagen hatte?
Hoffen Sie – aus welchen naiven oder bequemen Motiven heraus auch immer – nicht, die Antwort der hiesigen Mitverantwortungsträger in den Polit- und Presseabteilungen auf das Attentat ginge über die üblichen, leeren Betroffenheitsfloskeln und abgelesenen Trauerbekundungen und über das Anordnen von Betonsperren für Jahrmärkte hinaus; ganz egal, wie abstoßend und unmenschlich der Anblick der von einer Nagelbombe zerfetzten kindlichen Körper ist!
Nein. Was Sie in diesem Land und das bis zur bittersten Übelkeit von der Obrigkeit erwarten dürfen, sind austauschbare und abgedroschene Satzbausteine einer selbsternannten Elite aus Altpolitik, Presse und Funktionärswesen, die für genau die Zustände verantwortlich zeichnet, welche sie medienwirksam mit Phrasen und geheucheltem Mitleid übergießt. Dann werden Sie zwar weiter verschaukelt, aber nicht enttäuscht, und das scheint vielen Leuten ja schon zu genügen.
Was Sie keinesfalls hoffen sollten ist, dass der Mehltau, der sich über das Land gelegt hat, schnellstens und urplötzlich, aufgrund der sich verschlimmernden Ereignisse, von wenigen aufrechten Kämpfern hinweggefegt werden könnte, denn allzu stark hat er schon die Gemüter gelähmt. Erwarten sie nicht, dass die Trägheit der Masse als physikalischer Irrtum aus den Naturwissenschaftsbüchern gestrichen wird, nur weil die Uhr auf fünf vor zwölf steht und die Mehrheit der Mitmenschen selig vor sich hin schläft. Und versprechen Sie sich nicht, dass endlich der Ruck durch diesen Staat ginge, „bloß“ weil die Einschläge zielstrebig immer näher kommen.
Gleichgültigkeit ist die neue Zivilcourage, Apathie ist Bürgerpflicht, Ignoranz ist Politikgeschäft, Politkorrektheit ist Staatsdoktrin, auf diese Weise ließe sich der „Erregungsstatus“ beschreiben, der fast zwölf Jahre Merkel und Jahrzehnte linksgrünes Geschrei möglich macht. Mit scheintugendhaftem Fleiß all der Wähler am Bestehen gehalten, die stets gutgemeint das Weiter-So ankreuzen (oder gar nicht wählen), damit illusorisch alles so bleiben möge wie es längst nicht mehr ist. Zementiert durch desinteressiertes Achselzucken und feiges Hinnehmen des noch so gefährlichen Geschehens. Wäre wohlgefällige Weltfremdheit eine olympische Disziplin, man wüsste hierzulande nicht wohin mit den vergoldeten Medaillen, statt sich nur um illegale Goldstücke kümmern zu müssen. Wir gehen nicht an Toleranz zugrunde, denn diese, eine echte, hat ihre Grenzen, im Gegensatz zu Deutschland; wir gehen quälend lange und dennoch erstaunlich konsequent an Gleichgültigkeit ein, die sich hinter pseudomoralischer Monstranz verbirgt, welche die Blutleere verdecken soll. Deutschland leidet an einer auferlegten Krankheit, an antrainierter Selbstablehnung, an einer Art gesellschaftlichen Depression, an der Abwesenheit greifbaren Aufrechtgehens und dem Fehlen von natürlichem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, das fernab vom politisch-korrekten Pseudointellekt existiert. Das Land ist eingesponnen in Feigheit. So gesehen haben wir uns bereits unterworfen, unter die gleichsam von oben wie von unten aufrecht erhaltene Ohnmacht gegenüber der Zerstörung des eigenen Daseins, der Sicherheit und des Verstandes. Erklären Sie mal einem nichtdeutschen Weltenbürger, warum die Reaktion Deutschlands – des Landes der Dichter und Denker, der Ingenieurskunst, des Fleißes, der inneren Sicherheit und des Grundgesetzes – auf importierten Mord und Totschlag wie folgt aussieht: Beten und Betonpfosten! Regungslos wie das Kaninchen vor der Schlange.
Der obrigkeitsgefällige Bürger bewegt sich in diesem ach so freien Land in kleinen und künstlichen Räumen, auf vorgeschriebenen Kreisen und hält dies für die Erdumlaufbahn: Er darf die Globalisierung bejubeln, muss Silvester aber in einer Hochsicherheitsfestung verbringen, er kann mit Höchstgeschwindigkeit ins World Wide Web, wo die Zensur ihn erwartet, er will Individualist sein, muss aber aufpassen, was er am Arbeitsplatz sagt. Mit unserer Regungslosigkeit schnüren wir unser Leben ein, bis es keine Luft mehr zum Atmen hat. Eine Generation wächst heran in dem Glauben, den sie durch fanatische Anbetung mit Teddybären in der Hand auch noch nährt, sie wäre besser, freier, gerechter, kosmopolitischer als alle anderen Generationen zuvor, dabei ist sie nur eines besonders ausgeprägt: Weltfremd, wohlstandsgesättigt und anfällig für manipulative Versprechen. Es ist absurd. Der hippe, postpubertäre Urbanbürger kann zwischen zehn Sorten veganem Schnitzel wählen, kann sich jedoch nicht geistig eigenständig und ohne ideologische Denkschablonen artikulieren. Die Quotenchefin kann aus einem Katalog zwanzig Samenspender aussuchen, weiß hingegen nicht, wie sich das Kind in einer werteentkernten Welt zurecht finden soll (einer Umgebung, welche die geistige und körperliche Entwicklung bereits im Kleinkindalter mit Frühsexualisierungspraktiken brechen will). Das Kirchenoberhaupt sonnt sich im Glanze einer frühsonntäglichen Messe im Mittagsprogramm, hat andererseits nicht das Zeug, die Vertreibung seiner Mitgeistlichen durch Islamisten anzuklagen, predigt Akzeptanz des Grauens, während draußen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte das Grausame verhindern sollen. Die Lehrerin verzweifelt zwar an der Unmachbarkeit der Inklusion, beschwert sich aber nie beim Ministerium. Der Firmenchef setzt artig jeden noch so hanebüchenen Gendernonsens um, würde jedoch nicht zugeben, dass er heimlich Demonstrationen der AfD besucht. Sie alle sind bewegungsunfähig im Inneren und angepasst nach außen. Und dann noch die Menge derer, die zuschauen und glotzen und ihre Smartphones zücken, als wäre die sich anbahnende Katastrophe ein Auffahrunfall auf der Gegenfahrseite.
Wovor habt ihr Angst? Was versteht ihr nicht? Was tut ihr da, warum tut ihr nichts? Worauf wartet ihr denn? Möchte man die Menschen gerne schütteln, aufrütteln und fragen! Wisst ihr nicht, dass es Schutz vor Terroristen gibt, durch Grenzkontrollen, durch Umsetzung des Grundgesetzes, durch Rückgrat? Wisst ihr nicht mehr, dass es eine Zeit gab, lange ist sie noch nicht her, in der Terror nicht zum Alltag gehörte, in der Versager, die sich Volksvertreter nennen, nicht die unbeantwortete Frechheit besaßen uns den Terror als zu akzeptierendes Risiko einer globalisierten Welt verkaufen zu wollen, um ihr Fehlverhalten zu kaschieren und habt ihr nicht den Selbstwert zu fordern, dass Terror nie zum Leben gehören sollte, alleine aus Überlebensinstinkt? Habt ihr vergessen, dass stillschweigendes Dulden einer Zustimmung gleich kommt, dass ihr mit eurer Regungslosigkeit den Zerfall erst ermöglicht? Und dass es sehr wohl möglich ist, durch friedliches Aufbegehren ganze Systeme zu stürzen?
Die Ignoranz derer „da oben“ ist schließlich das Spiegelbild der Passivität derer „da unten“. Das unfassbare, erschreckende Nichtstun der Verantwortungsträger – selbst nach London, Paris, Berlin und Manchester – ist die Konsequenz einer weitgehend dekadenten Gesellschaft, für die Demokratie gleichbedeutend ist mit vollen Supermarktregalen und idyllischen Fassaden. Von Verantwortung und Wirklichkeit entkoppelt zu sein, hat aber nichts mit Größe zu tun, es ist schlicht Dummheit. Die Gesellschaft macht sich etwas vor, und legitimiert damit ihren eigenen Untergang und die Ignoranz der „Elite“. Ein Nichtinteresse, welches wiederum die Folge der Nichteinforderung von Mitbestimmung seitens des Souveräns ist. Ob Verwaltende, Oberstudienräte und Medienschaffende, ob Mechaniker, Ärzte und Hausfrauen, die Gleichgültigkeit zieht sich durch alle Bereiche. Vielleicht ist es auch Unfähigkeit, die eigenen Handlungsmöglichkeiten jenseits von Fernbedienungen, Talk-Shows und Plaudereien wahrzunehmen. Immerhin wurde dem gemeinen Bürger jahrzehntelang aberzogen, was als Bedingung einer funktionierenden Demokratie in den Philosophiebüchern steht. Wie dem auch sei. Der Effekt ist verheerend.
Aufgrund dieser Gleichgültigkeit ist es kein Wunder, sondern nur das in seiner Wirkung schmerzhafteste Ergebnis, dass Deutschland abgewandt betend und hinter Betonabsperrungen unsicher verharrend, der Zerstörung entgegen strebt.
Nadine Hoffmann