GRÄFENRODA. Die 1290 erstmals erwähnte Gemeinde in etwa 400 Metern Höhe im Tal der Wilden Gera gelegen ist nicht nur eng mit der Geschichte unserer Heimat durch die Grafen von Kevernburg und Schwarzburg verwoben, sie ist auch der viertgrößte Ort des Ilmkreises. Und mit ca. 5 Kilometer Länge außerdem das längste Dorf im Kreis. Um 1850 entstanden hier die ersten größeren Unternehmen wie 1855 eine Holzwarenfabrik, 1860 eine Terrakottafabrik, 1869 eine Glashütte und später noch weitere Porzellanfabriken.

Weit über Thüringen hinaus bekannt, gilt Gräfenroda heute noch als die Heimat der Gartenzwerge aus der Manufaktur Phillip Griebel. Davon zeugt nicht nur das Gartenzwergmuseum von Reinhard Griebel sondern auch ein Zwergenkreisel, Symbol einer über 100 Jahre alten Geschichte der Gemeinde. Diese steht in diesen Tagen vor einer Neuwahl des Bürgermeisters. Grund: Frank Fiebig, Die Linke, wiedergewählt 2012 in der Stichwahl mit 62,7 % der gültigen Stimmen, trat vor einigen Wochen aus gesundheitlichen Gründen vom Amt zurück. Nun müssen die Gräfenrodaer am 7. Mai zur Wahlurne schreiten und einem der Bewerber ihr Vertrauen schenken.

Um das Amt bewirbt sich auch Marcel Sauerbrey (AfD). Ein Novum – weil in der AfD. Dabei ist Marcel kein Quereinsteiger, der mal testen will, wie es laufen könnte. Ganz im Gegenteil. Marcel hat seit langem Kommunalerfahrung, sitzt im Kreistag und seit 2014 im Gemeinderat von Gräfenroda. Doch er hat ein Problem. Ein politisches. Der in Gräfenroda bekannte Versicherungsmakler trat im März 2016 aus der CDU aus und im September 2016 in die AfD ein. Warum das? „In wichtigen Politikfeldern konnte ich nicht mehr die Politik der jetzigen CDU mittragen. Energiepolitik, Rentenpolitik, Einwanderungspolitik, Bildung und Ausbildung. All die ganzen Probleme, die nicht angegangen und unter den Teppich gekehrt werden. Ich habe viele Gespräche geführt. Familie, Freunde und später mit der AfD-Ilmkreis-Gotha. Die Entscheidung ist gefallen. Auch wenn ich weiß, daß diese Entscheidung meine Kandidatur nicht erleichtert“, sagt der Tierfreund und Hundebesitzer. Trotzdem wirkt er nachdenklich. Gräfenrodaer durch und durch, hier geboren, sechs Jahre vor der Wende, zur Schule gegangen, Abitur gemacht, danach erfolgreich eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann beendet und im August 2007 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Er hat einiges vorzuweisen. Erstmals bewirbt er sich als Parteiloser im Mai 2012 als Bürgermeisterkandidat. Es reichte aber nicht. Manche schmeißen nach einer solchen Niederlage hin – er nicht. Er hängt an seinem Grevenrot. Hat so seine Vorstellungen, wie sich Gräfenroda entwickeln sollte, zum Positiven verändern. Neue KITA-Plätze, niedrigere Elternbeiträge, Verbesserung der Ärztesituation, eine Marketingstrategie für neue Unternehmen und damit Arbeitsplätze. Vereinsförderung und mehr Kultur im alten Ort, bessere Straßen und weniger Belastung der Gräfenrodaer durch Gebühren liegen ihm ebenso am Herzen. Bürgerbeteiligung, mehr miteinander statt Gegeneinander. Es hört sich alles gut an. Keine Frage. Dazu gehört auch der Bau eines Treffpunktes für Jung und Alt, inklusive Kinderspielplatz.

Wird er es auch richten können? „Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann. Die Kassenlage ist angespannt, es steht längst nicht alles zum Besten. Aber wer keine Visionen hat, keinen Plan, der kann vieles versprechen, um es dann nicht einzuhalten. Ganz offen gesagt, ich will das nicht. In der Politik wird vieles versprochen und dann gebrochen. Das ist nicht mein Ding. Ich mag es ehrlicher. Ich kann den Gräfenrodaern in die Augen schauen – und sie mir. Natürlich ist mir klar, daß die Entscheidungen im Gemeinderat fallen. Deren Beschlüsse und ihre Umsetzung sind auch für mich bindend. Wie die Kreis-, Landes- und Regierungsbeschlüsse. Aber gemeinsam können und müssen wir Wege finden, um Gräfenroda Stück für Stück lebens- und liebenswerter zu gestalten. Dafür will ich mich einsetzen. Mit meiner AfD-Mitgliedschaft hat das imgrunde weniger zu tun. Außer, daß ich weiß, daß die AfD sich ganz bewußt als Heimatpartei bezeichnet. Doch letztlich muß uns allen Heimat wichtig sein. Das weiß ich und die Gräfenrodaer auch.“ Am Zwergenkreisel, leider etwas abseits vom normalen Durchgangsverkehr gelegen, wurde ein Teil der Gräfenrodaer Geschichte ein weiteres Mal öffentlich verankert. Eine gepflegte Anlage, ein Stück Tradition. Diesem kleinen Stück Thüringer Geschichte seit 1290 fühlt sich Marcel verpflichtet.

Deswegen stellt er sich erneut zur Wahl. Aus Liebe zur Heimat. Das ist in diesen Zeiten durchaus ein mutiger Schritt.

Hans-Joachim König