Die Online-Reaktion der ZEIT (www.zeit.de) veröffentlichte am 12. Januar 2017 einen Beitrag über den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt: http://www.zeit.de/2017/01/rainer-wendt-polizei-deutschland-in-gefahr-rezension
Worum es in dem Artikel geht und wie er mit dem als Problem erkannten Inhalt umgeht, offenbart der Autor Thomas Fischer bereits vor dem Lesen des eigentlichen Textes. Unter einem Bild von Wendt, unmittelbar nach dem Teaser, schreibt er: „Meint der Autor ernst, was er schreibt? Ist er überzeugt, einem Staat zu dienen, der ‚kein Rechtsstaat‘ ist und der ‚mit demokratischer Kultur nichts gemein hat‘? Wieso kündigt er dann nicht?“
Um den Leser nicht im Unklaren zu lassen, wie Thomas Fischer zu dieser Schlussfolgerung kommt, bringt er auch unmittelbar mehrere Zitate, die die in der Bildunterschrift aufgestellten Behauptungen unterlegen sollen. So hat Wendt in seinem Buch (Rainer Wendt: Deutschland in Gefahr – Wie ein schwacher Staat unsere Sicherheit aufs Spiel setzt, Riva Verlag 2016) offenbar geschrieben:
„Ich kann jeden verstehen, der sagt, dies ist überhaupt kein Rechtsstaat mehr.“
„Die Staatsführung schert sich nicht um die Einhaltung des Rechts.“
Man kann es kleinlich nennen, aber die Brisanz der in der Bildunterschrift subtil versteckten Anschuldigungen ist doch zu groß. Schließlich wird an der Stelle nicht einfach nur kritisiert, sondern es werden ganz offen Unterstellungen aufgebaut, die zumindest nicht unwidersprochen bleiben dürfen.
Wenn Wendt schreibt, er kann jeden verstehen, der sagt dies Land (Deutschland) sei überhaupt kein Rechtsstaat mehr, dann handelt es sich zunächst um die Feststellung, dass es Menschen gibt, die so etwas behaupten. An keiner Stelle des ersten Zitats hat er sich sich die Grundaussage, Deutschland sei kein Rechtsstaat mehr, zu eigen gemacht. Er bringt lediglich Verständnis für eine solche Meinung auf. In einer Demokratie, die auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung setzt, ist dies ein ganz normaler Vorgang. Die vom ZEIT-Autor ins Spiel gebrachte „Überzeugung“ ist demnach wohl interpretiert, ausgedacht und erfunden.
Erst im zweiten Zitat stellt Wendt unumwunden fest, dass die Staatsführung – diese Pauschalisierung ist sicher so nicht angebracht – sich nicht um die Einhaltung des Rechts schert. Doch worauf könnte diese Behauptung basieren? Möglicherweise auf dem hunderttausendfachen Rechtsbruch, der mit der indirekten Einladung an möglichst viele Menschen, in Deutschland Asyl zu beantragen seinen Anfang und bisher noch nicht sein Ende gefunden hat? Das europäische Recht, die europäischen Verträge sind eindeutig: Asyl ist ein Menschenrecht und daher war bisher klar geregelt, wo in Europa dieses Recht zu beantragen ist und wo nicht. Ohne europäische Außengrenze ist auf Grundlage dieser rechtlichen Voraussetzungen der Asylantrag in Deutschland eher selten.
Damit ist der unglaubliche Vorgang, der seit dem Jahr 2015 Deutschland in eine existenzielle Krise gestürzt hat, ein klarer Rechtsbruch. Und dieser Bruch europäischer Regelungen wird auch nicht dadurch relativiert oder richtig, dass Asyl ein Menschenrecht ist. Zu keiner Zeit wurde dies verwehrt. Und es handelt sich auch nicht um weniger als einen fortgesetzten Rechtsbruch, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der 2015 Eingereisten eben keinen Asylgrund als Motivation vorzubringen haben/hatten, einige sich mit gefälschten Papieren oder der Behauptung keine Ausweispapiere zu besitzen ihren Weg in die EU unrechtmäßig erkauften und ein paar sogar hier sind um Straftaten zu begehen.
Daher liegt es durchaus nahe, wenn ein in der Exekutive sozialisierter Mensch den Eindruck gewinnt, die verantwortliche „Staatsführung schert sich nicht um die Einhaltung des Rechts.“
Wenn ein Artikel nun absichtlich mit derart missverständlich interpretierten Behauptungen und Unterstellungen noch vor der Lektüre des eigentlichen Textes startet, dann kann man sich diesen wohl getrost sparen.
Die Kommentare sind aus dem Artikel „Rainer Wendt – Polizist am Abgrund“ von Thomas Fischer, ZEIT online: http://www.zeit.de/2017/01/rainer-wendt-polizei-deutschland-in-gefahr-rezension (Abruf am 14. Januar 2017).