Demokratie erfüllt dann idealerweise ihren Zweck, wenn das Volk seine Herrschaft auch zu nutzen weiß. Wenn die Bürger selbstbestimmt und mündig entscheiden. Und um das gleich vorab zu sagen: Demokratie ist nicht, was linksgrünen Vorstellungen dient, sondern was die Bürger wollen.
Ein Staatsvolk, welches unüberlegt wählt, ohne Voraussicht oder gar nicht agiert, sich lenken und steuern lässt statt selbst zu entscheiden, mag zwar dem Namen nach in einer Demokratie leben, es entzieht sich jedoch seiner Verantwortung und verhält sich nicht im besten Sinne demokratisch. Vernunft und Verantwortungsgefühl sollten ja nicht nur bei den gewählten Repräsentanten walten, im Falle der indirekten Demokratie, sondern auch bei denen, die diese Volksvertreter in ihre Ämter heben, bei den Bürgern. Eine aufgeklärte Demokratie lebt daher von wachen, interessierten und aktiven Menschen, die ihre Entscheidungen selbständig abwägen und überlegt handeln. Das betrifft das Wählen, kommunale Bürgerentscheide, Demonstrationen, Petitionen, Spenden, Foren oder Anfragen an Abgeordnete und mehr, also die ganze Bandbreite dessen, was dem Volk an Instrumenten zur Verfügung steht, die Demokratie lebendig zu gestalten. Vernünftiges, verantwortungsbewusstes Verhalten ist erforderlich, um die Volksherrschaft mündig umzusetzen. Dies gilt natürlich ebenso für die direkte Demokratie, die Volksentscheide auf Bundesebene zulässt (was den deutschen Bürgern verwehrt bleibt); hier ist die „Klugheit“ seitens der Bürger ebenso gefragt.
Sie merken sicher schon, worauf ich hinaus will, auf den Unterschied zwischen dieser beschriebenen Idealform und der deutschen Wirklichkeit. Unsere Demokratie ist nämlich nicht idealtypisch, wenn überhaupt, dann könnte man sie als politisch-korrekte Veranstaltung mit demokratischem Anstrich bezeichnen. Das liegt zum einen an den Regierenden, zum anderen aber – und das ist der ausschlaggebende Punkt – an den Bürgern selber.
Beispiele und Belege dafür kennen fast alle. Wenn ein Bürger eine Partei wählt, weil er diese immer gewählt hat, ohne das Parteiprogramm zu kennen und unabhängig von der tatsächlichen Leistung dieser Partei, dann ist das ein Fall von unaufgeklärter Demokratie. Kreuzt ein Wähler eine Person auf dem Wahlzettel an, nur weil diese ihm oder ihr irgendwie sympathisch erscheint, so ist das ein Akt des unmündigen Urnengangs. Denn demokratische Mündigkeit bedeutet, dass eine Stimme aufgrund Informiertheit und im Bewusstsein über die eigene Verantwortung für sich selbst oder die Gesellschaft abgegeben wird, nicht wegen irgendwelcher durch die Presse herbei geschriebenen Beliebtheitswerte einer Politprominenz. Mündig zu sein heißt vor allen Dingen, dass sich jeder Wähler im Klaren ist, welche Partei für welches Zukunftsmodell steht. Dass man gegebenenfalls bürgerfeindlichen Entwicklungen durch seine Stimme auf dem Wahlzettel oder auf der Straße entgegenwirken kann und muss. Aufgeklärtheit heißt in erster Linie Selbständigkeit im Denken und Handeln. Sich das Denken abnehmen zu lassen („betreutes Denken“) ist der erst Schritt in die unaufrichtige Demokratie.
Das betrifft nicht nur die Wähler. Die Nichtwähler machen inzwischen einen großen Teil der Wahlberechtigten aus. Freilich, es gibt keinen Zwang wählen zu müssen. Jedoch ist es schwer vorstellbar, dass keine der vielen gelisteten Parteien auf dem letzten Bundestagswahlzettel etwa ein Programm aufgewiesen hat, mit dem sich ein Nichtwähler identifizieren könnte. Vorausgesetzt natürlich, man informiert sich über das, was die Parteien so fordern und umsetzen. Zudem ist es mitnichten so, dass Nichtwählen oder das Abgeben einer ungültigen Stimme denen „da oben“ einen Denkzettel verpasst, denn das deutsche Wahlsystem beschäftigt sich nur mit den Stimmen, die gültig oder tatsächlich abgegeben wurden, aus diesen werden dann die Verhältnisse berechnet. Eine ungültige Stimme ist für den Papierkorb. Es interessiert auch keinen der Regierenden. Man sollte sich daher genau überlegen, ob man sein demokratisches Recht in den Mülleimer treten will.
Es geht aber nicht nur um das Nichtwählen. Teile der Bevölkerung scheinen trotz der destruktiven Veränderungen in Deutschland, trotz der irrsinnigen Altparteienpolitik kein Interesse an Politik zu haben. Was gemeinhin als Politik(er)verdrossenheit bezeichnet wird. Hier entsteht ein negativer Kreislauf, der durch die Bürger selbst am Laufen gehalten wird: Je weniger ich mich engagiere, desto mehr Narrenfreiheit genießen die Volksvertreter, desto verdrossener werde ich und bringe mich noch weniger ein. Als Folge dieser Vorgänge steht dann die Lebenswirklichkeit der Bürger der politischen Parallelwelt der Machthaber gegenüber, wie es in Deutschland genau der Fall ist. Diese Vorgänge sind von den „Repräsentanten“ sogar gewollt, sie etablieren dadurch ihren Einfluss. Das Ergebnis der Demokratiemüdigkeit ist eine Scheindemokratie.
Zur aufrechten Demokratie gehört zudem eine unabhängige Vierte Gewalt. Inwieweit deutsche Medien wirklich objektiv sind, ist an dieser Stelle zweitrangig. Was der Systempresse dient, sind Bürger, die ihr glauben (wollen), ohne die angebotenen Informationen zu hinterfragen, mit der Realität abzugleichen, sich gegebenenfalls selbst ein Bild zu machen und zu reflektieren. Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben würde nicht bestehen, wenn es nicht fast zwei Millionen Bürger geben würde, die sie immer wieder kaufen. Ideologisch abgedriftete, ehemalige Qualitätsmedien könnten nicht existieren, wenn es nicht genügend Menschen gäbe, die sie finanzieren. Und die per Zwangsabgabe alimentierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wären schon längst auf echten Wettbewerb und ungefilterte Berichterstattung umgestiegen, hätten all die zur „Demokratieabgabe“ Gezwungenen einen neutralen Informationsdienst, frei von altpolitischem Dünkel eingefordert, gegen Rundfunkräte voller Politiklobbyisten oder gegen die GEZ geklagt. Der Bürger, der hier Konsument ist, hat viel mehr Macht, als es ihm bewusst ist. Er nutzt sie nur nicht. Weil es ihm nicht klar ist oder nicht klar sein will. Das wiederum gibt den Meinungsmachenden in Politik und Presse mehr Macht darüber, die Menschen mittels des eigenen Apparates und der Medien zu desinformieren und zu manipulieren. Zu dieser Steuerung gehört auch, den Bürgern zu suggerieren, dass es an der Handlungsweise der Herrschenden keine Zweifel geben könne, wodurch das Volk klein gehalten wird. Was wir erleben ist nichts anderes als ein scheindemokratischer Ablauf, der das Auseinanderdriften von Volk und Volksvertretern (inklusive Vierter Gewalt) erzeugt, welches dann „komischerweise“ auch die unmündigen Bürger beklagen, die Teil und Mitursache dieser Demokratiesimulation sind. Gegen dieses Meinungsmonopol hilft nur die Meinungsfreiheit der Bürger.
Auch von der Möglichkeit direkte Anfragen an den zuständigen Abgeordneten zu schicken, wird kaum Gebrauch gemacht (Thüringer stellen kaum Anfragen an Abgeordnete).
Und darüber, dass wir Deutschen selbst dann nicht in Massen auf die Straße gehen, wenn unsere Kinder um ihre Zukunft gebracht werden, staunt das Ausland. Was den Bürgern hier „von oben“ auferlegt wurde, hätte Franzosen, Italiener, Briten schon längst auf die Barrikaden gebracht. Es gibt einen Zeitpunkt, an dem Duldsamkeit in Unmündigkeit und Untertanentum übergeht, an dem das Einfordern direkter Mitbestimmung nötig wird (Direkte Demokratie, Seite 9 Grundsatzprogramm). Entscheiden Sie, an welcher Stelle Deutschland sich befindet, noch vor, währenddessen oder schon danach. Der Blick auf Nachbarländer oder andere demokratische Staaten kann hilfreich sein, um sich selbst klarzumachen, welche Wege möglich sind, dass es Alternativlosigkeiten in der Politik wie Gesellschaft nicht gibt. Auch wenn die politischen und demokratischen Entscheidungen in anderen Ländern den deutschen Chefideologen nicht gefallen, sie sind von den Bürgern gewollt (Antidemokratisches Entsetzen deutscher Meinungsmacher auf die US-Wahl). Das nennt man Demokratie: Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung, Meinungsfreiheit statt Sprechverbote, Mündigkeit statt Untertänigkeit.
Kurzum: Die deutsche Demokratierealität führt den Begriff der Demokratie ad absurdum.
Dagegen sollte man handeln, wenn einem die demokratische Politik am Herzen liegt. Engagement ist erforderlich. Demokratie gibt schließlich nicht nur Rechte, sie besteht gleichfalls aus Pflichten für sich selbst, für die Kinder oder für die Gemeinschaft. Mögen diese Aufgaben nur moralisch oder philosophisch sein, sie sind da und orientieren sich nicht an ideologischen Vorstellungen, sondern an der Wirklichkeit. Wähler, die sich einer Ideologie beugen oder sich aus dem politischen Leben zurückziehen, bewirken den demokratischen Zerfall. Am Ende ist Nichtstun genauso gefährlich wie ideologische, bürgerfeindliche Verblendung. Es wird höchste Zeit Deutschlands Demokratie mit Leben zu füllen.
Nadine Hoffmann