Dieses Plenum mit einer Tagesordnung von 43 Punkten versprach schon im Vorfeld, eine der längsten und umfangreichsten Tagungen des Thüringer Landtages zu werden. Der Ältestenrat des Landtages hatte beschlossen, die Redezeit für viele Tagesordnungspunkte der kommenden Plenarsitzung zu halbieren. Die AfD-Fraktion sah durch diesen Beschluss ihre Rechte verletzt und beantragte beim Thüringer Verfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung dagegen. Dazu erklärte Stephan Brandner, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag vor der Plenartagung in einer Presseerklärung: „Schaut man sich an, für welche Tagesordnungspunkte der Ältestenrat die Redezeit halbiert hat, dann fällt auf, dass davon vor allem Gesetzentwürfe und Anträge der AfD-Fraktion betroffen sind.“ Bei Tagesordnungspunkten, die der CDU oder der LINKEN wichtig seien, habe es dagegen keine Redezeitverkürzung gegeben. „Das ist eine unfaire Mauschelei der Altparteien gegen uns als neue politische Kraft… Wir können unsere Aufgaben als Oppositionsfraktion nur wahrnehmen, wenn wir auch zu Wort kommen. Eine Beschneidung unserer Redezeiten ist skandalös und undemokratisch“, so Brandner. Für die Debatte in der Plenarsitzung sei eine lebendige Opposition, die sich zu Wort melden können müsse, unabdingbar. Darüber hinaus kritisierte Brandner, dass Anträge der AfD-Fraktion immer wieder in der Tagesordnung nach hinten geschoben werden. „Zwei unserer Anträge aus dem März wurden immer noch nicht behandelt. Sie standen schon dreimal auf der Tagesordnung und wurden immer wieder verschoben.“ Die AfD-Fraktion hat deswegen als Aktuelle Stunde beantragt: „Manipulation im Thüringer Landtag. Parlamentarismus in Gefahr.“

Nach dem erneuten – leider auch gescheiterten – Versuch von Stefan Möller, zu Beginn des Plenums die Redezeitverkürzungen rückgängig zu machen, beantragte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion die Vertagung (und damit ausführliche Behandlung) einiger wichtiger Gesetzentwürfe und Anträge der AfD-Fraktion ins nächste Plenum. Von der kürzeren Redezeit waren betroffen: der Entwurf zum Thüringer Neutralitätsgesetz, der Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes, die Anträge „Regionalorientierte und gesunde Schulspeisung für unsere Kinder“, „Geltendes Recht in der Asylkrise durchsetzen – Verfassungsbruch durch Bund und Länder beenden“, „Erziehungsarbeit anerkennen – Beitragsgerechtigkeit in den Sozialversicherungen herstellen“, „Förderschulnetz erhalten – Förderschulen stärken – für eine erfolgreiche Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ sowie der Antrag „Sozialverträgliche Abwasserentsorgung im ländlichen Raum sicherstellen – „AZV-Lösung“ für Kleinkläranlagen möglich machen“. Entgegen den einleitenden Erläuterungen von Landtagspräsident Christian Carius (CDU) wäre diese Vertagung ins nächste Plenum nach § 21 der Geschäftsordnung möglich gewesen, wenn – ja wenn nicht wieder einmal die Einheitsfront von Rot-Rot-Grün und Schwarz im Thüringer Landtag dieser Bezeichnung alle Ehre gemacht hätte und geschlossen diesen Antrag von Möller ablehnte. Was blieb war, dass fünf dieser Punkte von der AfD-Fraktion zurückgezogen wurden, was zur Folge hat, dass diese künftig neu ins Plenum eingebracht werden müssen.

Im Folgenden beantragte die CDU-Fraktion, dass mit dem Tagesordnungspunkt „Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen“, dem Gesetzentwurf der Landesregierung, das Schwerpunktthema für dieses Plenum abgesetzt werden solle. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Fiedler nannte dafür gewichtige Gründe. So wolle Rot-Rot-Grün die Gebietsreform gegen den Willen einer breiten Bevölkerungsmehrheit und gegen die Argumente hunderter Kommunen durchsetzen. Die mündliche Anhörung im Landtag und die Auswertung der mehr als fünfzig schriftlichen Stellungnahmen hätten deutlich gezeigt, dass die von Rot-Rot-Grün beabsichtigte Gebietsreform und das dafür auf den Weg gebrachte Vorschaltgesetz von mehr als 90 % der Anzuhörenden als untauglich abgelehnt wurden. Weiterhin seien der Umgang der Regierungskoalition mit den kommunalen Spitzenverbänden und das nicht nachvollziehbare Tempo der Reform kritisch zu bewerten.

Der Antrag des Gemeinde- und Städtebundes für eine angemessene Fristverlängerung und damit die Möglichkeit einer inhaltlichen Stellungnahme wurde von Rot-Rot-Grün zurückgewiesen. Auch die vom Thüringer Landkreistag beantragte Fristverlängerung wurde abgelehnt. Es werde versucht, ein Vorhaben durchpeitschen, was nicht ausgegoren und inhaltlich nicht ausreichend mit den Spitzenverbänden abgestimmt sei. Fiedler sprach in diesem Zusammenhang von „Schweinsgalopp“. Auch der Antrag der CDU, dem die AfD-Fraktion zustimmte, erhielt keine Mehrheit.

Auf dem Plan der Aktuellen Stunden standen drei Anträge: zum Ersten auf Antrag der CDU-Fraktion das Thema: „Lehrermangel, Bürokratie und Unsicherheit: Schlechte Zeugnisse für das erste Schuljahr unter rot-rot-grüner Bildungsverantwortung?“ Der CDU-Abgeordnete Christian Tischner warf der rot-rot-grünen Landesregierung vor, das Thüringer Schulsystem herunterzuwirtschaften und charakterisierte diese Bildungspolitik als ideologisch, bürokratisch und praxisfern. Sie verunsichere Lehrer, Schüler und Eltern.

Wiebke Muhsal erläuterte in Ihrer Rede erneut die Position der AfD-Landtagsfraktion, dass Thüringen mehr Lehrer, gute Lehrer und vor allem Lehrer in den Fächern haben muss, die unterrichtet werden sollen. Die von der Landesregierung immer wieder pauschal angekündigte Einstellung von jährlich 500 Lehrern reicht nicht aus. Selbst vom Thüringer Bildungsministerium wird für das Schuljahr 2016/ 2017 ein Bedarf von 750 zusätzlichen Lehrerstellen prognostiziert. Diese Zahlen erhöhen sich für das Schuljahr 2017/ 2018 auf 940 und für das Schuljahr 2018/ 2019 auf 967 Stellen. „Für die Ermittlung des tatsächlichen Lehrerbedarfes müssen alle Faktoren, die derzeit zu Unterrichtsausfall führen, einberechnet werden“, so Muhsal weiter.

Das Thema: „Die Aufweichung des Mindestlohns verhindern, klare Regeln gegen Lohndumping auch in Thüringen“ wurde auf Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der folgenden Aktuellen Stunde behandelt. Stefan Möller sagte dazu, dass man von seinem Lohn leben können muss, wenn man vollbeschäftigt ist und führte aus, dass neben der finanziellen Absicherung des täglichen Lebens es für die Familien möglich sein müsse, auch Rücklagen für die Altersvorsorge und für einen Urlaub zu bilden. Als wesentliche Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit im Land forderte Möller, dass jemand der arbeitet, finanziell deutlich besser gestellt sein muss als jemand, der nicht am Erwerbsleben teilnimmt, obwohl er das könnte. Der Mindestlohn kann die Probleme im Niedriglohnsektor nicht lösen, obwohl er durchaus seine Berechtigung hat. Deshalb schlägt die AfD die aktivierende Grundsicherung vor.

Die AfD-Fraktion hatte die Aktuelle Stunde zum Thema: „Kürzung der Redezeit und monatelange Nichtbehandlung von Tagesordnungspunkten der Opposition – Gefahren für den Parlamentarismus in Thüringen“ beantragt. Björn Höcke warf den Koalitionsfraktionen vor, die Geschäftsordnung des Landtages fortwährend zu Lasten der AfD-Fraktion zu manipulieren. „Diese Tagesordnung ist ein Angriff auf die einzig authentische Oppositionsfraktion und damit auf die parlamentarische Demokratie“, so Höcke weiter.

Das erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Schwangerschaftskonfliktgesetzes war ein Gesetzentwurf der Landesregierung. Der Entwurf wurde eingebracht, weil sich Änderungsbedarf beim bestehenden Gesetz ergeben hatte, zum Beispiel zum Ausbau der Hilfen für Schwangere, den Regelungen für eine vertrauliche Geburt und Verwaltungsvereinfachungen.

Corinna Herold dankte den zahlreichen Angehörten, die sich auf Einladung der Landesregierung zum Thema geäußert haben. Die Abgeordnete stellte fest, dass immer mehr Frauen zu einer Schwangerschaftsberatung gehen, weil diese sich bei Feststellung einer Schwangerschaft immer öfter in einer Lage sehen, in der sie Hilfe von außen brauchen. Über diese Entwicklung sollte in einem kinderfreundlichen Land wie Thüringen erneut nachgedacht werden, meinte Herold.

Der folgende Gesetzentwurf wurde ebenfalls von der Landesregierung eingebracht: „Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Archivgesetzes“. Hintergrund dieses Gesetzentwurfes ist die Zusammenlegung von sechs Staatsarchiven zu einem Landesarchiv und damit eine effizientere und einheitliche Arbeitsweise in der staatlichen Archivverwaltung. Stephan Brandner stellte den Nutzen der Zentralisierung des Archivwesens in Thüringen in Frage:

Das Thüringer Gesetz zur Dualen Hochschule Gera-Eisenach war ein weiterer Gesetzentwurf der Landesregierung. Ziel dieses Gesetzentwurfs ist die Fortentwicklung des Hochschulsystems in Thüringen durch Errichtung einer Dualen Hochschule, die aus der Staatlichen Studienakademie mit ihren Berufsakademien in Gera und Eisenach hervorgeht. Dazu hatte die AfD-Fraktion einen Entschließungsantrag zur Weiterentwicklung der Dualen Hochschule Gera-Eisenach in das Plenum eingebracht. Darin schlug die AfD vor, in einem weiteren Schritt die Duale Hochschule in die Fachhochschule Schmalkalden zu überführen, wobei die Standorte Gera und Eisenach erhalten bleiben sollen. So werde außer der Vermeidung von Doppelstrukturen die Möglichkeit geschaffen, innerhalb der gegebenen Studienstrukturen Masterstudiengänge anzubieten.

Den Bericht vom zweiten Plenumstag lesen Sie morgen.

Birgit Noll