Der zweite Tag des Plenums begann mit dem Fünften Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur Einführung von fakultativen Referenden), einem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion. In dem Gesetzentwurf heißt es: „Ein fakultatives Referendum bietet dem Volk die Möglichkeit, vom Parlament beschlossene Gesetze zu billigen oder zu verwerfen. Es ergänze das vorhandene Instrumentarium von Volksbegehren und Volksentscheid, mit dem aus der Mitte des Volkes gesetzgeberische Initiativen gestartet und zum Abschluss gebracht werden können.

Mike Mohring (CDU) stellte die gefährdete politische Kultur an den Beginn seines Redebeitrages. Mohring äußerte seine Sorgen um die Gefährdung der Demokratie in unserem Land, übersehend oder verschweigend, dass es in erster Linie auch Politiker seiner Partei sind, die sich vehement gegen die Ausübung direkter Demokratie in Form von bundesweiten Volksentscheiden positionieren. Dabei versuchte er auch zu klären, wie Demokratie zu realisieren ist. Eine wirklich schöne Geschichte.

Auch Dirk Adams (GRÜNE) nahm für seine Partei, genauso wie für die befreundeten Thüringer Regierungsparteien, in Anspruch, die Demokratie fortzuentwickeln, denn schließlich stehe es ja in den Wahlprogrammen dieser Parteien.

Björn Höcke verwies darauf, dass schon die Weimarer Republik an der Kompromissunfähigkeit der Parteien und am Versagen der politischen Elite gescheitert sei, nicht aber am verantwortungslosen Umgang des Volkes mit direktdemokratischen Instrumentarien. Die AfD hat sich von Beginn an für mehr Bürgerrechte stark gemacht. Bereits vor über einem halben Jahr kam von der AfD-Fraktion der Vorschlag, eine verpflichtende Volksabstimmung über die Gebietsreform abzuhalten, was natürlich keine Mehrheit fand. Die CDU habe dazu nichts beigetragen und schon immer alle Initiativen abgelehnt, weil sie gegen die direkte Demokratie war.

Ein merkwürdiges Verständnis von Demokratie legte Anja Müller (LINKE) an den Tag. Sie forderte die CDU um Mike Mohring auf, den Frust über die verlorenen Wahlen zu überwinden und den Wählerwillen zu respektieren. Der Wählerwillen hatte aber zur Landtagswahl 2014 die CDU trotz zurückgehender Wahlergebnisse zur stärksten Partei in Thüringen bestimmt.

Stephan Brandner erklärte dem Plenum mit Bezug auf das AfD-Grundsatzprogramm, warum die CDU diesen Gesetzentwurf erst jetzt einbrachte. Allerdings erhielt er für den Begriff „Mogel-Mohring“ einen Ordnungsruf.

Dann folgte das Schwerpunktthema in diesem Plenum zur Gebietsreform, welches in der Diskussion circa sechs Stunden Redezeit einnehmen wird. In gemeinsamer Beratung begann die Debatte zu den Themen „Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen“, ein Gesetzentwurf der Landesregierung, dazu verschiedene Änderungs- und Entschließungsanträge, das Sechste Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung (Gesetz zur Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften), ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion, der Antrag der AfD: „Thüringen zukunftsfähig machen -Verwaltungs- und Funktionalreform auf den Weg bringen“ und der Alternativantrag der CDU-Fraktion der CDU.

Den Bericht des Innenausschusses zum Vorschaltgesetz trug der Ausschussvorsitzende Steffen Dittes (LINKE) vor. Die Anträge der AfD-Fraktion wurden von Stephan Brandner begründet. Die AfD forderte die Landesregierung auf, für eine Gleichbehandlung der Kreise und kreisfreien Städte zu sorgen. Gegenstand des Antrages waren unter anderem willkürlich festgelegte Mindesteinwohnerzahlen, aber auch die Berücksichtigung einer dynamischen Wirtschafts- und Einwohnerentwicklung, zum Beispiel in Gera. Brandner erwartet dazu ein schlüssiges Konzept.

Ministerpräsident Bodo Ramelow machte den Bevölkerungsrückgang in den letzten 26 Jahren in Thüringen an der Statistik fest, nach der der Freistaat jährlich ca. 18.000 Einwohner verloren hat. Dieser Rückgang zwinge die Landesregierung, die Infrastruktur und die Verwaltungsstruktur, die in der Lage wären, eine Million Menschen mehr zu verwalten, an die neuen Gegebenheiten anzupassen und die notwendige Verwaltungs-, Gebiets- und Funktionalreform durchzuführen. Dabei freute sich der Ministerpräsident darauf, dass das Vorschaltgesetz an diesem Tag mit Mehrheit beschlossen werden würde und „Euch dazu zwingt, Euch endlich zu bewegen.“

Jörg Henke stimmte den Aussagen von Bodo Ramelow über die Hintergründe der Gebietsreform zu, prophezeite aber gleichzeitig ein Scheitern des Vorhabens außerhalb des Landtages und die notwendige Klärung vor dem Verfassungsgericht, die eine zwangsweise Umgestaltung Thüringens nicht zulassen wird. Nach Henkes Aussagen schränkt das Vorschaltgesetz die kommunale Selbstverwaltung in Thüringen ein, führt zu mehr Zentralismus und zerstört funktionierende Verwaltungsstrukturen. Die Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften führe zur Abschaffung der Selbstverwaltung im ländlichen Raum, was einem Angriff auf diesen gleichkommt. Zusammenfassend schlussfolgerte Henke: „Rot-Rot-Grün in seinem Lauf halten keine Argumente auf! Sie haben die Alternativlosigkeit zur Maßgabe Ihrer Politik erhoben.“

Stephan Brandner setzte die Begründung zum Entschließungsantrag der AfD-Fraktion fort. Neben verfahrenstechnischen Fragen ging er auch auf die Erschließung der Kosten- und Einspareffekte ein. Effektivität, Effizienz und Bürgernähe sowie die Auswirkungen der anonymen Großstrukturen auf das Bürgerengagement sind zu bewerten.

Zu diesem wichtigen Thema der Gebietsreform und allem, was dazu gehört, gab es eine sehr lebhafte, teilweise auch emotionsgeladene Debatte, die von Unruhe und Zwischengesprächen begleitet war. Sogar Bodo Ramelow hätte einen Ordnungsruf bekommen, wäre er Abgeordneter und nicht Ministerpräsident. In einem aufwendigen Abstimmungsprocedere wurde über die Änderungsanträge entschieden. Der Gesetzentwurf der Landesregierung erhielt, ebenso wie die Entschließungsanträge der Koalitionsfraktionen, mehrheitlich die Zustimmung. Alle Anträge der CDU- und der AfD-Fraktion wurden mit den Mehrheiten von Rot-Rot-Grün abgelehnt, wobei sich bei der Ablehnung der AfD-Anträge meistens auch die CDU-Fraktion anschloss.

Nach dieser umfangreichen Debatte wurde der Tagesordnungspunkt: „Benennung eines Mitglieds des Thüringer Landtags für den Kongress der Gemeinden und Regionen beim Europarat (KGRE) für die 11. Mandatsperiode (2016 bis 2020)“ aufgerufen, mit einem Wahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE. Dieser enthielt die Weiterführung der Funktion durch den Abgeordneten Jörg Kubitzki, was bestätigt wurde.

Es folgte der Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Stärkung von Informationsfreiheit und Transparenz im Freistaat Thüringen“. Im Kern ging es darum, einen Entwurf für die Fortentwicklung der Rechtslage in Thüringen hin zu einem Thüringer Transparenzgesetz vorzulegen, welches das bisherige Informationsfreiheitsgesetz ablöst und weiterentwickelt, das Thüringer Umweltinformationsgesetz integriert sowie die Schaffung eines Transparenzregisters zum Inhalt hat.

Für die AfD-Fraktion bezweifelte Thomas Rudy die Ernsthaftigkeit des Antrages, weil aufgrund des Antrages zu erwarten ist, dass die Einführung des Transparenzregisters vor 2020 nicht auf den Weg gebracht wird.

Die auf den Abschluss dieses Tages verlegte Fragestunde befasste sich mit Fragen, wie die Entwicklung des kommunalen Finanzausgleiches, das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform in Thüringen, Hilfen vom Freistaat für die vom Unwetter Betroffenen in Ilmenau, dem Ausbruch von ansteckenden Krankheiten an Thüringer Schulen, dem Kulturlastenausgleich an Gemeinden und Landkreise, der Vergabe von Rettungsdienstleistungen, Finanzhilfen für das Studentenwerk Thüringen sowie weiteren Fragen.

Den Bericht vom dritten Plenumstag lesen Sie morgen.

Birgit Noll