Ostthüringer Zeitung vom 9.10.2015

Mit jeder neuen Zahl, die über ankommende Flüchtlinge vermeldet wird, spürt die AfD Aufwind. Im OTZ-Redaktionsgespräch äußert sich der Geraer Landtagsabgeordnete Stephan Brandner dazu.

Wir sind ein wenig verwundert, dass Sie uns besuchen. Haben Sie Ihre Abneigung gegenüber der „Lügenpresse“ überwunden?

Das Wort habe ich noch nie benutzt, hoffe ich.

Die Teilnehmer von AfD-Demonstrationen tun das umso öfter, animiert von Ihnen oder Ihrem Landesparteichef Björn Höcke. Was bezwecken Sie damit eigentlich?

Uns geht es um eine faire, ausgewogene, gern auch kritische Berichterstattung der Medien. Aber die Tatsachen müssen schon stimmen. Wenn aber nur von 650 Demonstranten in Erfurt die Rede ist und der Platz brechend voll war, dann stimmen die Tatsachen eben nicht.

Die stimmen erst, wenn die von Herrn Hocke bejubelten 8000 genannt werden, während Polizei und Ordnungsamt von 5000 sprechen und andere von 3700? Da zitieren wir doch lieber die Behörden.

Nichts dagegen. Sie sollen ja möglichst objektiv berichten. Doch wenn ich im Bericht lese, einer der Demonstranten habe zu jemandem „du Ratte“ gesagt, dann war das eben nur einer und völlig unwichtig für den ausgesprochen friedlichen Verlauf der Kundgebung. Dass es trotzdem erwähnt wird, ist tendenziös. Aber ich gebe gern zu, dass es da auch Unterschiede zwischen Medien gibt.

Sie wollen sich also distanzieren vom „Lügenpresse“-Vorwurf?

Das ist ein Kampfbegriff, brauchbar für die Straße. Eine Demonstration ist schließlich kein Seminar an der Uni.

Die außerparlamentarische Opposition scheint Ihnen wichtiger zu sein als die Arbeit im Parlament. Fühlen Sie sich dort nicht wohl?

Doch, sauwohl sogar. Wir besetzen im Landtag ja auch wichtige Themen, etwa im Bereich der
Bildungs-, Familien- und Wirtschaftspolitik oder aber der Abschaffung der Selbstbedienungsklausel
bei den Diäten. Aber der Block der Altparteien, die CDU inklusive, lehnt reflexartig alles ab, was an Vorschlägen von uns kommt. Durch uns lässt sich da so nichts bewegen. Für das Asylthema,
das momentan die Menschen am meisten umtreibt, ist der Druck der Straße das zurzeit einzige und wirksamste Mittel.

Wie würde die AfD denn das Problem der vielen Flüchtlinge lösen?

Indem Thüringen Herrn Höcke zum Ministerpräsidenten wählt und der dann mich zum Innenminister und Herrn Möller zum Migrationsminister macht.

Und jetzt mal vielleicht im Ernst?

Sehr im Ernst wird Deutschland gerade überrannt von fremden Menschen, von denen wir nicht wissen, wer sie sind, woher sie kommen, was sie wollen und wohin sie wollen. Dabei gibt es
den Schengen-Vertrag, das Dublin-Abkommen und das deutsche Asylverfahrensgesetz. Nichts davon wird eingehalten. Aber eine Regierung, die Gesetze nicht durchsetzt, macht sich lächerlich. Diese Politik führt uns geradewegs in die Anarchie.

Kanzlerin Merkel sagt, Deutschland könne seine 3000 Kilometer Grenze gar nicht hermetisch abriegeln. Außerdem wurde auch der Grenzzaun der Ungarn von Flüchtlingen überwunden.

Aber der Orban hat wenigstens mal ein Zeichen gesetzt. Merkels Zeichen sind Selfies mit irgendwelchen Leuten, die bei uns Asyl haben wollen. Währenddessen versinkt das Land im Unterbringungs-Chaos.

Der rot-rot-grünen Landesregierung geben Sie ebenfalls die Schuld daran. Wer hat denn nun den schwarzen Peter?

Alle. Die EU, der Bund, das Land und die Kommunen. Nein, die Kommunen nicht, die sind einfach nur überfordert. Ich vermute mal, dass Deutschland wieder versuchen wird, sich mit Milliardensummen aus der Misere herauszukaufen. Vielleicht gelingt das sogar.

Dann ginge der AfD ihr wichtigstes Thema verloren.

So schnell passiert da nichts und wir haben auch viele andere wichtige Themen. Aber wenn es mit dem Asylansturm so weiter geht, kriegen die Altparteien noch das große Heulen und Zähneklappern. Nächstes Jahr im März sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sollte in den beiden Westländern die CDU einbrechen und die AfD stark zulegen, dann ist Merkel am Ende. Möglicherweise bewegt sich die Union danach wieder dahin, wo sie mal war, als ich ihr lange Jahre angehörte.

Zur AfD gehören Sie seit 2013. Gefällt Ihnen die Partei nun besser, nachdem ihr Gründer Bernd Lucke hinausgeekelt wurde?

Der ist nicht hinausgeekelt, sondern abgewählt worden. Das war ein ganz normaler demokratischer Vorgang. Auch, dass Lucke danach eine andere Partei gegründet hat, gehört zu den Spielregeln der Demokratie. Er hat sich aber als schlechter Verlierer gezeigt.

Wie nahe steht die heutige AfD der Pegida, Thügida und wie die Ableger sonst noch heißen?

Ich persönlich war bei denen noch nie zur Demo. Was Thügida angeht, ist es AfD-Beschlusslage, jede Zusammenarbeit abzulehnen. In Gera ist die Truppe völlig von der NPD dominiert, unter aller Sau. Und ich weiß, dass viele Leute mit den NPD-Leuten gar nicht mitlaufen wollen. Bei mir häufen sich die Anfragen der Bürger, ob die AfD nicht auch in Gera zur Demo aufrufen kann. Wir denken darüber nach.

Haben wir verpasst, dass Sie sich bei AfD-Demos in Erfurt gegen NPD-Teilnehmer verwahrten?

Ganz bestimmt kennt Frau König von der Linksfraktion jedes NPD-Mitglied mit Name und Adresse. Ich kenne diese Leute nicht, also weiß ich auch nicht, ob welche von ihnen bei unseren Kundgebungen sind. Ich weiß aber, wie strikt wir darauf achten und es auch jedes Mal ansagen, dass die Teilnahme von Extremisten jeder Couleur, rassistische Sprüche auf Plakaten, verfassungsfeindliche Symbole oder Ausländer-raus-Rufe von uns nicht geduldet werden.

Nur damit Sie uns nicht einseitige Berichterstattung vorwerfen: Was hält Ihre Landtagsfraktion von Windrädern im Wald?

Die lehnen wir ab. Ich persönlich hasse jedes Windrad, egal wo es steht.

Heißt das, Sie finden auch den Atomausstieg falsch?

Ja. Deutschland hat die Kernkraft über Jahrzehnte zur Stromerzeugung genutzt. Und ich kenne keinen einzigen Menschen, der dadurch zu Schaden gekommen ist.

Gespräch: Volkhard Paczulla, Jörg Riebartsch, Wolfgang Schütze

Quellenangabe: Ostthüringer Zeitung/www.otz.de