Es war hochsommerlich heiß, als gestern gegen 18:00 Uhr die Veranstaltung des Ortsteilsrats in Linderbach begann. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung war erkennbar geworden, dass die geplante Asylbewerberunterkunft im ehemaligen Globus-Baumarkt die Einwohner von Linderbach und benachbarter Gemeinden und Vororte von Erfurt stark beschäftigt. Zwei Tage vorher lag ein anonymer Brief in vielen Briefkästen, welcher mögliche negative Auswirkungen einer Unterbringungseinrichtung von Asylbewerbern vor Ort thematisierte. Die Gespräche drehten sich schon in der vergangenen Woche häufig über das Vorhaben der Stadt.

Ich war mit meiner Fraktionskollegin und AfD-Stadträtin Corinna Herold vor Ort. Etwas links vor dem Gebäude stand ein Grüppchen um den Linke-Landtagsabgeordneten Christian Schaft. Mutmaßlich handelte es sich um Linke-Anhänger und so genannten „Antifaschisten“. Entgegen meinen Befürchtungen hat sich die Truppe um Schaft allerdings zurückgehalten und keine aggressiven Störungen unternommen.

Das Bürgerhaus war angesichts der vielen interessierten Anwohner viel zu klein und daher voll besetzt. Eine Traube Menschen stand vor der Tür. Ich arbeitete mich langsam durchs volle Treppenhaus bis in den Eingangsbereich des Veranstaltungsraumes vor.

Nachdem, was ich wahrnehmen konnte, haben die Interessierten, die draußen blieben, nicht viel verpasst. Ein Mitglied des Ortsteilrats kommentierte das große Interesse der Anwohner. Ansonsten kamen viele Beschwichtigungen und Allgemeinplätze, die offensichtlich zur Beruhigung beitragen sollten. Einen Plan, wie man mit dem Asylbewerberheim in spe umgeht, hat man im Ortsteilrat offensichtlich nicht. Einerseits war den Mitgliedern des Ortsteilrats sicherlich bewusst, dass in Teilen der Anwohnerschaft vorsichtig ausgedrückt eine große Skepsis gegenüber der Unterbringungseinrichtung für Asylbewerber vorhanden ist. Andererseits konnte man meines Erachtens die Angst der Veranstalter vor den gesellschaftlichen Druck erkennen, der allen Bestrebungen gegen die Asylpolitik im Allgemeinen und Asylbewerberunterkünfte im Besonderen entgegengebracht wird. Schließlich waren Presse und Funktionsträger der linken Stadt- und Landespolitik anwesend, so z.B. Karola Stange, Mitglied des Landtags der Linke.

So wurden die Worte sorgfältig abgewogen und in der Folge hauptsächlich Phrasen über die „Willkommenskultur“ und den Versuch, das Beste aus der Situation zu machen, verkündet. Man verwies auf die Informationsveranstaltung der Stadt, die am kommenden Montag stattfinden soll. Erfurt hätte im Vergleich zu Suhl und Heidenau einen guten Ruf. Das solle doch so bleiben. Spontan habe ich mich gefragt, was denn die Einwohner Suhls für die Ausschreitungen und kriminellen Handlungen eines gewalttätigen, religiös-fanatischen Teils der dort untergebrachten Asylbewerber können, welche die Stadt zur traurigen Berühmtheit gemacht haben.

Sogar den hanebüchenen Vergleich mit den Millionen Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, die man doch auch integriert habe, bemühte man. Dies wurde jedenfalls in meiner unmittelbaren Umgebung mit Fassungslosigkeit und Kopfschütteln leise murmelnd kommentiert. Auch ich empfand dieses Statement absurd, denn natürlich ist es ein gewaltiger Unterschied, ob Menschen des gleichen Kulturkreises bzw. sogar der gleichen Nation oder Asylbewerber aus völlig anderen Kulturkreisen mit anderen Sitten, Gebräuchen, Regeln und Rollenverständnissen aufgenommen werden sollen.

Ein Mitarbeiter der Ordnungsbehörde oder der Polizei (genau konnte ich das aufgrund meines Standorts nicht erkennen) erzählte, dass er auf dem Balkan gewesen wäre. Er verkündete, wer einmal im Bürgerkrieg gewesen sei, der käme als anderer Mensch wieder. Was das den Anwohnern an Erkenntnisgewinn bringen sollte, blieb sein Geheimnis. Ansonsten meinte er, dass keine der Unterbringungseinrichtungen in Erfurt ein Kriminalitätsschwerpunkt sei. Die Polizei sei nicht überfordert und werde sich auch um Linderbach kümmern. Die eine Hälfte der Anwesenden wird ihm das nach meiner Wahrnehmung vermutlich geglaubt haben, die andere eher nicht.

In der Fragerunde gab es einerseits einige Kritik am Projekt, die aber doch im ruhigen Ton vorgetragen wurde. Andererseits gab es auch Wortmeldungen aus dem Publikum, das „wir“ auf die Asylbewerber zugehen müssten, denn sonst würde sich keiner kümmern. Ich konnte nach einem kritischen Monolog eines Anwohners meine Frage loswerden, ob man sich über die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens mal Gedanken gemacht habe. Schließlich wäre es zu erwarten, dass die Unterbringung von bis zu 300 Menschen in einem ehemaligen Baumarkt als baurechtlich relevante Nutzungsänderung einzuschätzen ist und das umfangreiche Umbaumaßnahmen erforderlich sind. Auch kann man erhebliche Zweifel haben, ob eine entsprechende Nutzungsänderung bei einer Gesamteinwohnerzahl in Linderbach von etwas mehr als 800 Menschen die Interessen der Anwohner noch angemessen berücksichtigt. Mir wurde als Antwort gegeben, man werde die Stadt bitten, dass zu prüfen. Ich wies auf den Interessenkonflikt der Stadt hin, die einerseits den nicht in Abrede zu stellenden Unterbringungsbedarf hat, andererseits gleichzeitig die genehmigende Behörde ist. Zudem bot ich die Unterstützung der AfD bei der Prüfung der baurechtlichen Zulässigkeit an. Einem Mitglied des Ortsteilrats habe ich zu diesem Zweck auch meine Visitenkarte gegeben.

Für meine Frage wurde ich von einigen Teilnehmern sofort mit empörtem Gesichtsausdruck gefragt, ob ich denn überhaupt Anwohner sei. So ging es auch weiteren Teilnehmern, die kritische Wortmeldungen brachten. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass einige Anhänger des linken Lagers im Saal waren, um eine Stimmung zu erzeugen, welche Kritik am Asylbewerberheim unterbindet. So wurden z. B. Phrasen rund um die „Willkommenskultur“ von einigen Anwesenden überschwänglich beklatscht.

Karola Stange von der Linke-Fraktion im Thüringer Landtag brachte einige der wenigen Informationen mit, die verwertbar waren. Wenn ich sie richtig verstanden habe, soll mit einer Nutzung des Objekts nicht vor Beginn des nächsten Jahres zu rechnen sein. Zunächst war als Termin der Oktober 2015 benannt gewesen. Mich hatte insofern gewundert, wie man binnen eines Monats die erforderlichen baurechtlichen Genehmigungen und Umbaumaßnahmen so schnell über die Bühne bringen möchte. Jedem Anwohner, der mal einen Bauantrag wegen einem Gartenzaun oder einer Gartenhütte bei der Stadt Erfurt gestellt hat, ist bewusst wie lange es dauert, bis eine Genehmigung vorliegt und wie viele Auflagen man in der Regel erhält. Hier soll es nun plötzlich ganz schnell gehen. Stange meinte noch, dass sie dem Bürgermeister Bausewein vertraue, dass baurechtlich alles in Ordnung gehen würde. Im Übrigen gehe sie davon aus, dass die Asylbewerber sowieso nicht in Linderbach bleiben würden, sondern viele von denen wegziehen würden, etwa zu Verwandten und Bekannten in den Westen. Das klang in meinen Ohren wie ein Beschwichtigungsversuch unter Verweis auf das St.-Florians-Prinzip.

Nach der Veranstaltung kamen Corinna Herold und ich mit einigen Anwohnern ins Gespräch. Viele waren besorgt, vor allem im Hinblick auf ihre Schulkinder. Ein Teilnehmer, den ich äußerlich eher dem linken Lager zugeordnet hätte, fragte, welche Befürchtungen man den der eigentlich haben müsse. Wir verwiesen ihn auf die Schilderungen des CDU-Abgeordneten Heym zu den Zuständen in Meiningen, aber auch auf Presseberichte zu kriminellen Handlungen von einigen Asylbewerbern in Suhl und anderen Orten. Diskutiert wurde auf der Straße angesichts der Überforderung der Polizei in Suhl, Meiningen und anderen Orten zudem auch über Bürgerwehren, die vom vorgenannten Gesprächspartner äußerst kritisch gesehen wurden. Corinna Herold und ich haben ihm verdeutlicht, dass in Zeiten einer Ausdünnung der Einsatzkräfte und langer Anfahrtswege vieles für die Organisation von bürgerlicher Präsenz und Nachbarschaftshilfe spricht. Zudem macht es aus Sicht der AfD auch keinen Sinn, negative Erfahrungen mit einigen kriminellen oder religiös-fanatischen Asylbewerbern einfach zu leugnen oder zu verharmlosen.

Rechtsextreme habe ich übrigens nicht gesehen, dafür aber eine Begegnung mit dem Ex-SPD-Abgeordneten Heiko Gentzel durchgemacht. Der ist erst 55 Jahre alt und schon im Ruhestand, da er von einer Altregelung profitiert, die sich der Landtag in den Neunzigern noch gegönnt hat. Als Gentzel erfuhr, dass ich von der AfD bin, zog er nach einigen Verbalinjurien mit der Drohung, ich soll mich ja nicht auf seinem Grundstück blicken lassen, von dannen.

Ich habe den interessierten Anwesenden angekündigt, dass die AfD das Projekt der Stadt sehr kritisch begleiten wird. Wir werden voraussichtlich eine baurechtliche Prüfung des Vorhabens vornehmen, sollte es bei den aktuellen Planungen bleiben. Angeblich sei sich die Stadt laut Informationen des Ortsteilrats mit dem Eigentümer des Objekts einig, habe aber noch nichts unterschrieben. Wenn sich Ansatzpunkte bieten, die Belastung der Anwohner aufgrund einer rechtlichen Unzulässigkeit des 300-Plätze-Vorhabens abzusenken oder zu verhindern, werden wir entsprechende rechtliche Maßnahmen unterstützen. Klargemacht habe ich auch, dass eine Zusammenarbeit der AfD mit der NPD ebenso wenig in Betracht kommt wie Demonstrationen der AfD vor dem geplanten Asylbewerberheim. Protest muss dort geäußert werden, wo die Verantwortlichen für das Versagen in der Asylpolitik sitzen, d. h. in allererster Linie in wahrnehmbarer Nähe der Landesregierung und der Bundesregierung.

Stefan Möller, MdL, AfD-Fraktion im Thüringer Landtag

Quelle: http://th-blog.de/veranstaltung-in-linderbacherfurt-zur-geplanten-unterbringung-von-asylbewerbern-im-ehemaligen-baumarkt/