Als die Einwohner von Gerstungen am 10. Juni dieses Jahres zur Podiumsdiskussion eingeladen wurden, war die Welt noch in Ordnung – oberflächlich betrachtet. Auslöser für diese Veranstaltung war die Initiative einer Journalistin der „Thüringer Allgemeinen“, die bei Recherchen im Internet auf vermehrte Wohnungseinbrüche in der westthüringer Kleinstadt und auf die Gründung der Bürgerwehr Gerstungen gestoßen war. Den geschätzt ca. 250 anwesenden Bürgern standen Vertreter der regionalen und Landespolitik, Vertreter der Polizei und der Bürgerwehr als Ansprechpartner zur Verfügung.

Schon nach wenigen Aussagen der Offiziellen war klar, dass in Gerstungen „alles in Ordnung“ ist:  Keiner der Verantwortlichen ging davon aus, dass die erhebliche Zunahme an Wohnungseinbrüchen etwas mit der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber zu tun haben könnte. Es gebe zuviel Gerede. Thüringen gehöre zu den sichersten Bundesländern mit der höchsten Aufklärungsquote. Neben dem Schutz durch den Staat dürfe es keine Bürgerwehr geben.

Die Vertreterin der Polizei wollte die Steigerung um 700 % gegenüber dem Vorjahr nicht gelten lassen, obwohl die konkreten Zahlen der Vorfälle genau das aussagten. Sie betonte mehrfach, dass jeder Einwohner für sein Eigentum selbst verantwortlich sei, nicht die Polizei oder sonst wer. Alle würden erst dann zur polizeilichen Beratung gehen, wenn sie selbst betroffen seien.

Eine Betroffene schilderte ihre umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen für das Wohnhaus, trotzdem war wohl sehr viel gestohlen worden. Sie widersprach damit der Polizistin. Ein Anderer beschwerte sich, dass er die „technische Schutzaufrüstung“ für sein Haus nicht bezahlen könne. Und so weiter und so fort.

Was hat diese Versammlung den Einwohnern von Gerstungen gebracht: Neuerliche Aufrufe, den massenhaften Flüchtlingszustrom als gegeben hinzunehmen und bei der Lösung mitzuhelfen. Und die Erkenntnis, dass es auch in Gerstungen ist wie immer und überall: Die Verantwortlichen schauen weg und beschwichtigen nach der politisch korrekten Gutmenschenart. Alles wird gut!

Jetzt knapp zwei Monate später ist die Sachlage eine andere: Vier Asylbewerber aus dem Kosovo sind als Tatverdächtige in Gerstungen ermittelt worden. Nach Informationen Thüringer Tageszeitungen wurden bei Wohnungsdurchsuchungen in Gerstungen, Bad Salzungen und Wenigenlupnitz noch andere Gegenstände gefunden, die wahrscheinlich aus weiteren Einbrüchen stammen.

Wie sich die Bilder gleichen: In Wenigenlupnitz fand Ende März 2015 eine Bürgerversammlung statt, um kurzfristig über die Nutzung des ehemaligen Schlosses Wenigenlupnitz als Asylbewerberheim zu informieren. Auch hier war der Grundtenor durch die Verantwortlichen der gleiche: Die Bürger müssen sich keine Sorgen machen. Die Sicherheit ist gewährleistet. Durch den Zuzug von bis zu 100 Asylbewerbern in den nächsten Monaten wird es für die Einwohner zu keinerlei Beeinträchtigung kommen, nicht bei der Sicherheit, der ärztlichen Versorgung, der Kindergartenbetreuung, nirgends! Es bleibt abzuwarten, welche Zusammenhänge hier noch ans Tageslicht kommen.

Zur gleichen Zeit eskaliert in Suhl die Situation im Erstaufnahmeheim. Bisher galt die Zusage des Freistaates Thüringen, dass maximal 1.200 Asylbewerber in Suhl aufgenommen werden und nicht mehr. Aber was sind Zusagen und Versprechungen wert, wenn politisches Wunschdenken entgegen jegliche Vernunft und vor allem durch Umgehung geltender Gesetze umgesetzt werden soll? Die aktuelle Zahl hat die 1.600 bereits überschritten. Die Einwohner von Suhl haben die bisherige Situation mehr oder weniger ertragen, obwohl auch dort die Probleme zunahmen.

So unterstützte sogar der Suhler Sozialbürgermeister Klaus Lamprecht (Die Linke) im Juni die Forderung, dass um das Erstaufnahmeheim ein Zaun gebaut werden solle, um die Sicherheit zu erhöhen und die Zahl der Ladendiebstähle zu verringern. Von Januar bis März 2015 wurden in Suhl 158 Ladendiebstähle registriert, im gesamten Jahr 2014 waren es 188.

Der Landrat des Wartburgkreises Reinhard Krebs (CDU) warnte davor, nach der Ermittlung der vier Tatverdächtigen aus dem Kosovo jetzt alle Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Nein, das sicher nicht.

Aber das Beschwichtigen, Vertuschen, Wegsehen geht weiter.

 

Autor: Birgit Noll