Wer dieser Tage die Nachrichten rund um den CDU-Parteitag in Essen verfolgt hat, könnte sich wohlmöglich an die DDR erinnert fühlen, als Funktionäre die realsozialistische Ansprache des Ersten Sekretärs frenetisch feierten und das Bodenparkett zum Schwingen brachten. Eine solche Klatschorgie zelebrierten die etwa 1000 Delegierten der CDU. Ganze elf Minuten und ein paar Zerquetschte schlugen sie ihre Hände aufeinander, bejubelten ihre eigene Untertänigkeit und ließen Angela Merkel hochleben. Stehende Ovationen wie in besten Volkskammerzeiten, wenn eine besonders angesehene marxistisch-leninistische Instanz auftrat, bleiben von dieser Veranstaltung der Partei eines Konrad Adenauer und Ludwig Erhard hängen. Das und erlesene postkonservative Vertreter, deren Applauslänge sich umgekehrt proportional zum Inhalt des Beklatschten verhält. Denn Merkels Antrittsrede war die offene Ablehnung des Konservativen, mehr oder weniger versteckt zwischen Parteiphrasen. Jedenfalls führt Merkel die CDU wieder als Vorsitzende in den Bundestagswahlkampf und weiter in den Abgrund. Aber immerhin vermitteln die Klatschfunktionäre dabei Einigkeit nach außen, so kann später keiner von ihnen behaupten er hatte damit nichts zu tun.

Angesichts der Beifallsstürme karrieregesinnter Jubeltruppen und windelweicher Wetterfähnchen, gesendet über alle TV-Kanäle, wird es Merkel nicht gestört haben, dass sie mit knapp 90% der Stimmen zur erneuten Parteivorsitzenden gewählt wurde und damit das schlechteste Ergebnis innerhalb ihrer Kanzlerschaft einfuhr.

Was anders herum folgendes bedeutet: Um die einhundert Delegierte haben ihre Orientierung nicht an der Garderobe des großen Postengeschachers abgegeben. Vielleicht wäre es auch anders gekommen, hätte die Wahl zum Parteivorsitz als Mitgliederparteitag stattgefunden. Wer weiß.

Was den annähernd 90% der Delegierten moralisch gesehen wiederum nichts ausmachte, war die Rede der Kanzlerin, die, auf den Nenner gebracht, eine Kriegserklärung an die ist „die schon länger hier leben“. Sie sprach von der Integration deutscher Bürger, darüber, wer die Deutungshoheit über den Begriff Volk wirklich innehaben würde (nämlich nicht selbiges) und über weitere Herausforderungen für Deutschland. Zwar erzählte sie auch, sie wäre für das Verbot der Vollverschleierung, allerdings wechselt sie ihre Ansichten darüber ähnlich schnell wie bei der Energiewende, das von ihr plötzlich geforderte Burkaverbot ist also der kommenden Bundestagswahl und der konservativen Fassade der CDU geschuldet. Jeder, der aufrichtig Wert auf Deutschland legt, hätte der Kanzlerin daher explizit nicht zustimmen oder sie wählen können. Fast 90% haben es jedoch getan. Der Saal hat getobt ob ihrer bürgerfremden Worte.

Diese Rede wurde durch die Presse gemischt bewertet, vor allem inländische Medien bezeichneten den Merkelschen Aufguss abgenutzter Wahlkampfparolen, gewürzt mit narzisstischen Müssensollenforderungen – eine Selbstkrönung hätte nicht mehr überrascht- , als fulminant oder ungewöhnlich. Während ausländische Pressetitel dies anders sehen (dürfen). Wobei diese Reaktionen des Auslands in den hiesigen Medien ja kaum eine Rolle spielen, wegen mangelnder überregionaler Bedeutung.

Interessant wurde es dann, als ein Antrag zur Aufhebung der Doppelpass-Regelung mit knapper Mehrheit von 51% (nichts im Vergleich zu Van der Bellens überdeutlicher Mehrheit von 53% gegen Hofer) von den Delegierten gegen die Forderung der Parteispitze in Persona der Kanzlerin bestätigt wurde. Da es ja folglich eine nicht kleine Schnittmenge zwischen den Merkel-Wählern und den Doppelpass-Ablehnern geben muss: Delegierte, die weshalb auch immer glauben mit Merkel den Buntwahn beenden zu können. Ein Wahnsinns-Spagat. Da ist die Anmerkung angebracht, auf welchem Planeten diese Vertreter die letzten Jahre gelebt haben. Mit Multikulti-Mutti gegen Multikulti? Merkel senkte kurzerhand den Daumen und lehnte den Beschluss ab, jetzt, da sie wieder gewählt wurde. Falls die Merkeljünger/ Doppelpassabschaffer tatsächlich etwas anderes erwartet hatten, dann wurden sie eventuell nun auf die Erde zurück geholt. Vernünftige Politik ist mit Merkel nicht zu machen. Die Antragsteller, vor allem aus der Jungen Union, dürften sich vermutlich bereits nach alternativen Karrierewegen umsehen (müssen).

Die Transformation der CDU in einen Funktionärsstall ohne Kern und mit bröckelndem konservativen Anstrich ist durch diesen Parteitag in Essen ein großes Stück voran gekommen. Letztlich diente er bloß der Bestätigung der Vorsitzenden, angereichert mit ein wenig Diskurssimulation. Merkel wurde erneut gewählt, auch weil ein anderer Kandidat weit und breit nicht in Sicht ist, und sie hat gleich gezeigt, wer den Hosenanzug anhat. Ironischerweise sitzen in den Reihen ihrer Claqueure nicht wenige, die das ehemalige SED-System belächeln und gleichzeitig einer alternativlosen Kanzlerin zu Füßen liegen. Dass die Partei sich unter Merkel derart wandelt liegt jedoch nicht an den rhetorischen, intellektuellen oder staatsmännischen Fähigkeiten der großen Vorsitzenden, denn die sind kaum vorhanden, sondern an der Schwäche und Rückgratlosigkeit der CDU-Parteigänger und Steuergeldkostgänger, die für einen Posten unser Land und unsere Zukunft verkaufen.

Das Zentralkomitee lässt grüßen.

 

Nadine Hoffmann