Was tun, wenn man als prominenter Politiker die eigene Bürgerverachtung ungeniert vor die Kameras trug und gegen Kritiker den Stinkefinger zieht und nun plötzlich und völlig unerwartet eine Bundestagswahl vor der Tür steht? Man macht es wie Sigmar Gabriel (SPD) und versucht die Abneigung gegen das Volk (Populus) weniger deutlich auszudrücken. Pack wird nicht mehr Pack, sondern RTL-Zuschauer genannt und die Kluft zwischen Bürgern und Altparteien heißt jetzt Kulturdifferenzen. Denen, die schon länger hier sind, müsse man mehr zuhören, meint der Vize-Kanzler. Auch wenn sie ein anderes Lebensbild haben. Die SPD müsse sich um Verständnis für die kürzlich noch als Modernisierungsverlierer Gescholtenen bemühen, auch wenn diese Unterschichtenfernsehen schauen oder zu Menschen mit Migrationshintergrund absurderweise Ausländer sagten. Der Pöbel solle ernst genommen werden. Das passe zwar nicht zum Berliner Altpolitik-Kosmos, sei jedoch das Mittel zum Zweck die Bürger wieder für sich zu gewinnen. Damit die ihr Kreuzlein an der richtigen Stelle setzen. Denn darum geht es.
Die große Wahl im nächsten Jahr wirft also schon ihre Schatten voraus. In den Berliner Schaltzentralen rauchen die Köpfe, wie man das eigenhändig zum Paria gestempelte Volk ein weiteres Mal zum korrekten Wählen bewegen kann. Gerade bei den Sozialdemokraten ist die Not groß, haben sie doch mit Sympathieträgern wie Stegner und Maas nicht unbedingt die Experten in Sachen Bürgernähesimulation. Und die politischen Taten der letzten Jahre sprechen eher gegen die SPD. Siggi Pop hat sich deshalb kurzerhand selbst zum Populismus-Beauftragten gekrönt und prangert die politische Korrektheit an, derer er sich bisher nur allzu gerne aus Mangel an Rückgrat und Weitsicht bediente. Denn diese habe eine Distanz geschaffen. Ob dieser publikumswirksamen Wendemanöver wird sogar Seehofer blass vor Neid.
Was Herr Gabriel in seinem Dünkel nicht versteht ist, dass er mit seinen Klischees von RTL-Zusehern und Ausländer-Sagern keine Brücke zu den Bürgern schlägt, sondern nur seine beschränkte Weltsicht offenbart. Gabriel hat kein Herz für das deutsche Volk, da helfen auch werbemäßige Namensänderungen nicht. Siggis Strategie sagt nichts über die Wähler und nichts über Deutschland aus, aber sehr viel über ihn und seine Partei. Zum Beispiel darüber, wie wenig Achtung die dem Namen nach Sozialdemokraten vor den Menschen haben, denen sie ihr Gehalt verdanken und wie klein wohl der geistige Horizont des SPD-Spitzenpersonals ist. Wer derlei einfältig wie Gabriel agiert, präsentiert ein erschreckendes Maß an Verachtung gegenüber dem Souverän, dem Volk.
Nadine Hoffmann