Der dritte Plenumstag begann mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Thüringer Gesetz zur direkten Demokratie auf kommunaler Ebene“. Im Entwurf wird festgestellt, dass das bestehende Gesetz unverständliche und missverständliche Regelungen enthalte, und dass Verfahrensanforderungen für Bürgerbegehren sowie für Volksbegehren auf Landesebene neu geregelt werden müssten. Außerdem sei von den Gemeinderäten und Verwaltungen Reformbedarf signalisiert worden. Olaf Kießling schloss sich in wesentlichen Aussagen den Ausführungen der CDU-Abgeordneten Gudrun Holbe an, die den Gesetzentwurf insgesamt äußerst kritisch sah. Insbesondere die Einführung eines Abwahlverfahrens für Bürgermeister und die Einführung des Ratsbegehrens begründeten ihre Bedenken. Letzteres werde kategorisch abgelehnt, weil sich der Gemeinderat damit unliebsamen Entscheidungen entziehen könnte und das dem demokratischen Prinzip widerspreche. Außerdem hätte sich Holbe die Einordnung der Regelungen in die Thüringer Kommunalordnung gewünscht. Bei den Anhörungen zum Gesetzentwurf seien zahlreiche Bedenken angebracht worden, die auf die Fehler hinwiesen. Olaf Kießling meinte, dass die Ausführungen des Vertreters des Gemeinde- und Städtetages bezüglich der Abwahl von Bürgermeistern von besonderer Bedeutung seien. Es gebe keine Erkenntnisse darüber, dass es bei dem vorhergehenden Verfahren zu Fehlern gekommen sei. Nach seiner Ansicht wollten sich die Vertreter von Rot-Rot-Grün mit diesem Gesetz ein Einfallstor für politische Einflussnahme im ländlichen Raum schaffen, weil sie hier keine Verankerung hätten. Die Landesregierung habe erst die Kommunen finanziell im Stich gelassen, die Bürgermeister zu unpopulären Entscheidungen gezwungen und würde jetzt zusätzlich deren Position schwächen. Ebenfalls kritisch sah Kießling das neue Stimmrecht bei Einwohneranträgen, wonach Einwohner sich lediglich drei Monate in der Gemeinde aufgehalten haben müssen, um stimmberechtigt zu sein. Außerdem solle dieses Stimmrecht auch für Bürger gelten, die nicht der EU angehören, was verfassungsrechtlich zu hinterfragen sei. Kießling vermutete bei diesem Gesetzentwurf eine schleichende Aushöhlung des bestehenden Wahlrechts.

Stefan Möller setzte sich mit der Aufforderung von Dirk Adams (GRÜNE) auseinander, die AfD solle einen Alternativantrag einbringen, und war sich sicher, dass sich die Koalitionsfraktionen damit inhaltlich nicht befassen würden. Möller warf Rot-Rot-Grün vor, sich nur dann auf das Mittel der direkten Demokratie einzulassen, wenn es den eigenen Interessen entspricht.

Jörg Henke (AfD) ergänzte, dass ein gutes Beispiel für den Umgang von Rot-Rot-Grün mit der Demokratie die Gebietsreform sei und nannte einen Vorfall aus Ostthüringen.

Stephan Brandner ergänzte die Aussagen, indem er die Anträge der AfD zur direkten Demokratie verlas, die von den Koalitionsfraktionen allesamt abgelehnt wurden. „Die einzigen Demokraten in diesem Landtag sind wir auf der rechten Seite“, fasste Brandner die Beiträge der AfD-Fraktion zusammen.

Mit dem Thema: „Thüringer Gaststättengewerbe zukunftsfähig gestalten – Bürokratie abbauen“ wurde ein weiterer Antrag der CDU-Fraktion behandelt. Darin wurde die Landesregierung aufgefordert, die Verordnungen in diesem Bereich auf entbehrliche Dokumentations- und Kontrollpflichten sowie auf die Praxistauglichkeit zu prüfen und sich auf Bundesebene für mehr Flexibilität beim Personaleinsatz einzusetzen. Thomas Rudy stellte fest, dass nach den neuesten Informationen das Thüringer Gastgewerbe hinter der bundesweiten Entwicklung zurückbleibe. Während sich das Beherbergungsgewerbe nach Angaben des Landesamtes für Statistik im Vergleich zum Vorjahr leicht positiv entwickle, falle die Gastronomie zurück. Das betraf auch die Anzahl der Beschäftigten. Im Zeitraum von 2008 bis 2014 wurden mehr als ein Viertel der Betriebe des Gastgewerbes in Thüringen geschlossen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von dauerhafter Personalnot, ungünstigen Bierlieferverträgen bis hin Dokumentationspflichten und bürokratischen Hürden. Ausgerechnet die CDU, die für die meisten dieser Regelungen verantwortlich ist, fordere nun die Reduzierung von bürokratischen Standards für Klein- und Mittelbetriebe. Rudy forderte die CDU-Fraktion auf, auf Bundesebene Einfluss zu nehmen für die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, die Anpassung des Höchstbetrages für geringwertige Wirtschaftsgüter und die Überarbeitung des Mindestlohngesetzes bzgl. der Abschaffung unnötiger Dokumentationspflichten, falls sie ihr Anliegen ernst meine. Ein weiteres Problem für die Gastronomie stelle der erhöhte Strompreis durch das EEG dar.

Ebenfalls von der CDU-Fraktion kam der Antrag: „Freiwilliges Engagement als Form der gesellschaftlichen Teilhabe? Menschen mit Behinderungen im Ehrenamt von Freiwilligenagenturen in Thüringen“. Darin wurde die Landesregierung aufgefordert, über die Situation der ehrenamtlich tätigen Menschen mit Behinderung zu berichten und alle Möglichkeiten zu ergreifen, um freiwilliges Engagement dieser Menschen zu unterstützen. Corinna Herold lobte die vielseitige Unterstützung, die Menschen mit Behinderungen von vielen Seiten in unserer Gesellschaft erfahren, um ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. Das Ehrenamt sei für Menschen mit Behinderungen eine Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Allerdings lehne die AfD-Fraktion die Einsetzung eines weiteren Inklusionsbeauftragten ab, sondern wolle die Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen. Deshalb werde einer Ausschussüberweisung zugestimmt, so Herold.

Mit dem Thema: „Interreligiöse Kompetenz und Toleranz stärken? Christliche Werte schützen und antichristliche Gewalt ächten und ahnden“, stellte abermals die CDU-Fraktion einen Antrag. Danach solle die Landesregierung darauf hinwirken, religiös motivierte Gewalt gegen Christen in der polizeilichen Kriminalstatistik zu erfassen und dafür zu sorgen, dass die Auseinandersetzung mit Salafismus und Islamismus nicht dazu führt, christliche Symbole aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. In ihrer Rede kennzeichnete Corinna Herold den Antrag der CDU als schwachen Versuch, an die AfD verlorene Wähler zurückzugewinnen. Hiermit werde ein Antrag, den die AfD-Fraktion vor ca. einem halben Jahr eingebracht habe, als eigene Idee verkauft. Damals bestritten Abgeordnete der CDU-Fraktion, dass es in Thüringen Gewalt gegen Christen gebe und lehnten den AfD-Antrag ab. Die AfD werde sich diesem Antrag nicht verweigern, weil sie dieses Problem sehe. Die AfD-Fraktion werde ihren Antrag „Religionsfreiheit schützen – Übergriffe auf christliche Asylbewerber verhindern“ erneut als Alternativantrag einbringen und erwarte die Überweisung beider Anträge in die Ausschüsse für Inneres und für Migration.

Stephan Brandner nahm später in der Debatte Stellung zu den Rednern der anderen Fraktionen. Während er Eleonore Mühlbauer (SPD) bescheinigte, keine substanziellen Inhalte zu präsentieren, warf er dem CDU-Abgeordneten Christian Herrgott vor, der AfD und ihren Themen ca. vier Monate hinterher zu hecheln. Wie auch beim Antrag zur direkten Demokratie oder zur Reduzierung von Windkraftanlagen übernahm die CDU Positionen, für die man die AfD vorher zum Teil heftig kritisiert hatte.

Die AfD-Fraktion stellte den Antrag: „Geltendes Recht in der Asylkrise durchsetzen – Verfassungsbruch durch Bund und Länder beenden“. Neben einer Bewertung der Aussetzung der sogenannten Dublin-III-Verordnung durch die faktische Öffnung der Bundesgrenzen für Migranten wurde die Landesregierung aufgefordert, sich im Bundesrat für eine sofortige Grenzschließung für illegal Einreisende einzusetzen. Offiziellen Zählungen zufolge seien im Jahr 2015 etwa 1,1 Millionen registrierte Einwanderer nach Deutschland gekommen, von denen nur ca. 477.000 Personen einen Asylantrag stellen konnten. Zusammen mit den noch zu bearbeitenden Anträgen aus den vergangenen Jahren bestehe ein geschätzter Rückstau in der Bearbeitung von etwa 960.000 Asylanträgen. Nur eine sofortige Schließung der Grenzen, die gleichzeitig die Durchsetzung geltenden Rechts sei, könnten das BAMF und die Kommunen entlasten. Zudem müssten wirksame Grenzkontrollen wieder aufgenommen werden. Stephan Brandner stellte die Notwendigkeit und die Aufforderung, geltendes Recht wieder einzusetzen, in den Mittelpunkt seiner Begründung.

Nach den Aussagen von Migrationsminister Dieter Lauinger (GRÜNE) führten die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze und weitere Maßnahmen dazu, dass Migranten keineswegs unkontrolliert nach Deutschland einreisen könnten. Außerdem seien die Erstaufnahmeeinrichtungen in Thüringen nicht ausgelastet, so dass der Antrag der AfD unbegründet sei. Stephan Brandner bekräftigte die Notwendigkeit und die Aktualität des Antrages der AfD-Fraktion und dabei vor allem die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit. Brandner zitierte eine Thüringer Zeitung aus dem Januar 2016, wonach Ministerpräsident Bodo Ramelow für das laufende Jahr mit einem Flüchtlingszustrom von 40.000 rechne. Diese Vorhersage sei bisher nicht korrigiert worden, so Brandner. Nach dem gültigen Königsteiner Schlüssel würde das eine Zuwanderung von bundesweit 1,5 Millionen Asylsuchenden bedeuten. Außerdem werde die umstrittene Vereinbarung mit der Türkei die bestehende Problematik nicht lösen. Brandner hinterfragte den Zustand in unserem Land, wenn nur noch die AfD als einzige politische Kraft auf die Einhaltung und Durchsetzung von Recht und Ordnung beharre.

Mit dem Antrag: „Erziehungsarbeit anerkennen – Beitragsgerechtigkeit in den Sozialversicherungen herstellen“ trat nochmals die AfD-Fraktion in Aktion. Die AfD schlägt vor, dass die rot-rot-grüne Landesregierung im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine im Verhältnis zu den finanziellen Beiträgen aller Versicherten gerechte Anerkennung der Erziehungsleistung in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung eintreten möge. Außerdem solle sie prüfen, ob dieses Ziel durch die Gewährung eines Kinderfreibetrages nach dem Vorbild des Steuerrechts bei diesen Sozialversicherungen erreicht werden kann und inwieweit auch die Arbeitgeberanteile betroffen wären. Zudem wäre zu prüfen, ob eine analoge Regelung für Erwerbstätige eingeführt werden kann und sollte, die nicht in die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einzahlen.

In der Antragsbegründung bezog sich Björn Höcke auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, wonach es dem grundgesetzlich geschützten Gleichheitsgrundsatz widerspräche, wenn Kinderlose die gleichen Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen hätten wie Eltern. Dieses Urteil wurde von der Bundesregierung im Jahr 2005 nur teilweise umgesetzt, indem Kinderlose einen Zusatzbeitrag von 0,25 Prozent zu zahlen hätten, was nur ansatzweise eine Anerkennung der Leistungen von Eltern darstellt. Nur durch die Kindererziehung sorgen Eltern dafür, dass der Erhalt des umlagefinanzierten Sozialsystems finanziert werden kann. Der Ansatz der AfD besteht darin, solange auf diese Ungerechtigkeiten hinzuweisen, bis diese beseitigt sind.

In der Debatte bekräftigte Björn Höcke, dass die Familie in diesem Land wieder zur Chefsache gemacht werden müsse. Er müsse feststellen, so Höcke weiter, dass niemand von den Altparteien entscheidende Schritte eingeleitet habe, um die katastrophale demografische Entwicklung in unserem Land zu stoppen. Das Verhältnis von Beitragszahlern und Beitragsempfängern habe sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verschlechtert, so dass Maßnahmen für die Beendigung der Kinderlosigkeit auf der Prioritätenliste ganz oben stehen müssten. Über die Sozialbeiträge hinaus kommt die Erziehungsleistung der Eltern den Sozialsystemen zugute. Die Beiträge der Eltern sind abhängig von der Höhe des Einkommens, egal wie viele Kinder davon mitversorgt werden müssen. Hier muss zwischen den Generationen die Gerechtigkeit hergestellt werden. Außerdem fordert die AfD, dass der Zusatzbeitrag zur Pflegeversicherung in Abhängigkeit von der Kinderzahl gestaffelt werden müsse. Wie das Bundesverfassungsgericht ebenfalls erkannte, stellt auch die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der Krankenversicherung keine ausreichend gerechte Lösung dar.

Der letzte Tagesordnungspunkt dieses Plenums war die Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung „Kinder und Jugendliche in Thüringen“. Die CDU hatte dazu einen umfangreichen Fragenkatalog für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen vorgelegt, der verschiedenste Bereiche betrachtete. Einbezogen wurden zum Beispiel Fragen der frühkindlichen Bildung, des Schulalltages oder der Situation in den Familien. Weil sich diese Anfrage hauptsächlich mit statistischen Daten befasste, konzentrierte sich Wiebke Muhsal in ihrer Rede auf den Begriff der frühkindlichen Bildung. Sie definierte diesen als Kampfbegriff derjenigen, die Familie als gesellschaftsgründende Institution schwächen oder gar zerstören wollen. Der Staat sollte ein System entwickeln, das es Eltern gleichermaßen ermöglicht, ihre Kinder in einer Krippe, von einer Tagesmutter oder den Großeltern betreuen zu lassen oder dies selbst zu übernehmen. Die Eltern sollten sich dafür entscheiden können, was sie für das Kind als am besten erachten, befinden sich in der Realität aber im Konflikt gegensätzlicher Interessen. Der Begriff der frühkindlichen Bildung hingegen suggeriere fälschlicherweise, dass Kinder im jungen Alter scheinbar abstrakt und nicht durch die Bindung an eine Person lernen würden.

Damit ging dieses dreitägige Plenum zu Ende.

Birgit Noll