Mit dem „Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid (Gesetz zur Einführung von fakultativen Referenden)“, das von der CDU-Fraktion eingebracht wurde, begann der zweite Plenumstag. Mit diesem Gesetzentwurf soll das bestehende Gesetz ergänzt werden, um der Bevölkerung künftig die Möglichkeit zu geben, über vom Landtag verabschiedete Gesetze abschließend entscheiden zu können. „Die direkte Mitwirkung ist aus einem wichtigen Grund notwendig, weil sich die Bürger durch die Abgeordneten im Parlament nicht mehr ausreichend vertreten fühlen“, stellte Olaf Kießling (AfD) in seiner Rede fest. Den Parteien werde kaum noch ein Interesse am Wohl des Bürgers zugetraut, was auf einem Glaubwürdigkeitsproblem der Politik bei der Bevölkerung beruhe.

Oft sei von den großartigen Versprechen der Parteien vor einer Wahl nachher nichts mehr übrig. Bestes Beispiel dafür ist die CDU, die im Jahr 2005 versprochen hatte, den Mehrwertsteuersatz um höchstens zwei Prozentpunkte zu erhöhen. Im Ergebnis waren es drei Prozent. Frei nach dem Zitat von Konrad Adenauer: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ bringe die Thüringer CDU jetzt die direkte Demokratie ins Gespräch, nachdem sie vorher ein Vierteljahrhundert lang jeden Ansatz dazu im Keim erstickt habe. Die CDU werde damit aber weiter zur Politikverdrossenheit beitragen, denn diese Initiative sei unglaubwürdig und als Instrument zur Profilierung der Christdemokraten durchschaubar.

Später in der Debatte meldete sich Stephan Brandner zu Wort, um der CDU ebenfalls ihr scheinheiliges Handeln vor Augen zu führen. Es sei erst wenige Wochen her, dass Abgeordnete der CDU-Fraktion Volksabstimmungen als „kommunistisches Teufelszeug“ abgelehnt hätten. Mit Hinweis auf das Grundsatzprogramm bekräftigte Stephan Brandner, dass Volksabstimmungen und direkte Demokratie zum „Markenkern“ der AfD gehörten. Auch wenn die Medien dieses Thema als angeblichen Vorschlag der CDU darstellten, würden die Menschen merken, welche Partei die Kopie ist und welche das Original.

Das „Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Kindertageseinrichtungen-Gesetzes“ war wiederum ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion. Vielfach werden die Beiträge für Kinder aus Mehrkinderfamilien so berechnet, als handele es sich um Einzelkinder, obwohl die Kommunen nach der Gesetzeslage die Möglichkeit hätten, die Beiträge anders und damit für Mehrkinderfamilien niedriger festzusetzen. In der Begründung des Gesetzentwurfes legte Wiebke Muhsal (AfD) dar, dass es sich hier um eine Ungerechtigkeit handle, für die die Eltern zu recht kein Verständnis hätten. Mit diesem Gesetzentwurf wollte die AfD-Fraktion erreichen, dass neben dem Betreuungsaufwand und der Einkommenssituation der Eltern auch die Anzahl der zu versorgenden Kinder in die Beitragsbemessung eingeht.

Nach den Reaktionen von den anderen Fraktionsrednern forderte Corinna Herold als Erstes mehr Sachlichkeit in der Behandlung des Gesetzentwurfes der AfD ein. Herold warf der Fraktion der LINKEN vor, sie funktioniere Mütter zu Lohnarbeitern um. Dabei seien das Kindeswohl und die Mutter-Kind-Bindung existenziell und lebensbiografisch prägend. Die AfD hingegen fordert in ihrem Programm eine echte Wahlfreiheit zwischen den möglichen Betreuungsformen und die dafür notwendige Unterstützung. Keineswegs geht es der AfD in ihrem Gesetzentwurf darum, den Kommunen ihr Selbstverwaltungsrecht zu beschneiden.

Mit den Worten: „Da ist eine vollverschleierte Dame“ unterbrach Landtagspräsident Christian Carius (CDU) den Redebeitrag von Corinna Herold und bat den Sitzungsdienst, für Ordnung im Plenarsaal zu sorgen. Die „vollverschleierte Dame“ gab sich als AfD-Abgeordnete Wiebke Muhsal zu erkennen, nachdem sie den Nikab abgelegt hatte. Mit den Worten: „Nonverbale Äußerungen sind nicht zulässig“ erteilte Carius Wiebke Muhsal einen Ordnungsruf und stellte fest: „Das ist wirklich peinlich.“

Die Reaktionen der Abgeordneten aus den anderen Fraktionen reichten von Verwirrung bis zur Entrüstung. So empörte sich Birgit Pelke (SPD), dass sie es unerträglich fände, wenn der Landtag als Showbühne degradiert werde. Nach Abschluss dieses Tagesordnungspunktes, der mit der Ablehnung der Ausschussüberweisung durch alle anderen Fraktionen endete, wurde die Sitzung kurz für eine Zusammenkunft der Parlamentarischen Geschäftsführer unterbrochen.

Das „Thüringer Gesetz zum Schutz des öffentlichen Raumes als Sphäre der Freiheit“ wurde von der AfD-Fraktion eingebracht. Der Gesetzentwurf der AfD hatte zum Inhalt, das Tragen einer Gesichtsverschleierung wie namentlich der Burka und des Niqab in der Öffentlichkeit generell zu verbieten. Wiebke Muhsal wies in ihrer Einbringungsrede darauf hin, dass diese Kleidungsstücke Ausdruck einer religiös begründeten Unterdrückung von Frauen seien und die Würde von Frauen verletzten, indem sie den Frauen ihre Identität raube. Niqab und Burka bedeuteten Abgrenzung, nämlich „Abgrenzung gegen unsere freiheitliche, offene und auf der Gleichwertigkeit aller Menschen beruhenden Werteordnung, Abgrenzung gegen unsere Gesellschaft und unsere Kultur“, so Muhsal wörtlich. Der Gesetzentwurf sei ein Beitrag dazu, die Werte und die Rechte unserer freiheitlichen Ordnung zu erhalten und zu verteidigen.

Im Debattenbeitrag betonte der AfD-Fraktionschef Björn Höcke, dass es auch in Thüringen darum gehe, die Herausbildung islamischer Parallelgesellschaften zu verhindern, wie man sie aus westdeutschen Ballungsgebieten oder Berlin bereits kenne. Höcke erinnerte daran, dass die islamische Rechtsordnung, die Scharia, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei, weil sie unter anderem von der prinzipiellen Ungleichheit von Mann und Frau ausgehe. Die entsprechenden Auffassungen führten in islamistischen Kreisen dazu, dass von Frauen eine vollständige Verschleierung gefordert werde, unter der die freie Entfaltung der Mädchen und Frauen zu selbständigen Persönlichkeiten verhindert werde.

Von Seiten der CDU, die wie die anderen Fraktionen den AfD-Gesetzentwurf ablehnte, wurde in der Debatte vorgebracht, in Deutschland dürfe sich jeder anziehen wie er wolle. Merkwürdigerweise hatten sich aber auch CDU-Abgeordnete empört, als Frau Muhsal vor der Behandlung des Tagesordnungspunktes den Plenarsaal in einem Niqab betreten hatte. Offenbar ist man in der CDU nicht von den eigenen Worten überzeugt.

Angesichts der sehr breiten Zustimmung der Bevölkerung zu einem Verbot der Gesichtsverschleierung haben die Altparteien mit der Ablehnung des Gesetzentwurfes erneut gezeigt, dass ihnen die Anliegen und Sorgen der Bevölkerung weniger wichtig sind als die Bekämpfung der AfD.

Ein weiterer Gesetzentwurf der AfD war das „Fünfte Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur Einführung von Verfassungsreferenden)“. Ziel dieses Gesetzentwurfes war es, ein obligatorisches Referendum bei Verfassungsänderungen aufzunehmen. Damit sollte der Thüringer Landtag die Voraussetzungen schaffen, um das Volk künftig an Verfassungsänderungen mitwirken zu lassen.

Wie Stephan Brandner in seiner Begründung darlegte, erfordern Änderungen der Grundlagen des Staatswesens eine Entscheidung des Volkes. In der Vergangenheit hatte die CDU in Thüringen mit Ihrer Politik dafür gesorgt, dass die Bevölkerung möglichst wenig beteiligt wird. Die Union habe ihre Meinung erst kürzlich nach Bekanntwerden des AfD-Grundsatzprogrammes und den darin geforderten Volksentscheiden geändert. Der Gesetzentwurf der AfD soll die Mitwirkung des Volkes an Verfassungsänderungen festschreiben.

Olaf Kießling begann mit den Worten: „ Man könnte der Ansicht sein, der Gesetzgeber in diesem Haus fürchtet nichts so sehr wie das Volk, das ihn gewählt hat“. Kießling verwies auf den Umgang der CDU mit den Volksbegehren in der Vergangenheit. Auch Rot-Rot-Grün zeige eine ausgeprägte Skepsis gegenüber den Bürgern, weil Vorhaben für mehr Bürgerbeteiligung immer wieder abgelehnt werden. Beispielsweise hätte die Bevölkerung dann auch ein Mitspracherecht bei der Diätenerhöhung der Abgeordneten. Mit der Gesetzesänderung der AfD könnten die Bürger bereits frühzeitig in die Gesetzgebung eingebunden werden und so auch über die Durchführung von fakultativen Referenden, wie von der CDU vorgeschlagen, entscheiden.

In der nun folgenden Fragestunde wurden Themen behandelt, wie die Zukunft der Erstaufnahmestelle in Suhl, Fragen zu Hochschulen und der Situation bei Feuerwehren, die Einbindung des Jenaer Nahverkehrs zu einer THÜGIDA-Veranstaltung, Rechte von Kreistagsmitgliedern, Fragen zur Bildungspolitik und Beantragung von Klassenfahrten sowie zur Landesgartenschau 2024.

Der Antrag der CDU-Fraktion „Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Thüringen“ sollte klären, wie sich dieser in den letzten zehn Jahren in Thüringen entwickelt hat und wie er sich jetzt darstellt. Der zum Thema gehörende Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen zielte darauf ab, nach der Bestandsanalyse zum öffentlichen Gesundheitsdienst bessere Konditionen für das medizinische Personal und eine Verbesserung der Qualität der Versorgung zu erreichen.

Wie Corinna Herold sagte, sind viele Probleme des öffentlichen Gesundheitsdienstes auf die niedrige Entlohnung zurückzuführen. Die bestehende Situation mit den vielen unbesetzten Stellen wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, weil viele dieser Ärzte in den Ruhestand gehen. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist unter anderem verantwortlich für die Überwachung des Hygienemanagements in den Krankenhäusern und Arztpraxen. Wird diese nicht gewährleistet, kommt es unweigerlich zur kontinuierlichen Ausbreitung von Krankheitserregern. „Hier ist es dringend notwendig, präventiv tätig zu werden“, so Herold.

Unter dem Titel „Förderung und Fortbildung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter“ wurden Anträge sowohl von den Fraktionen DIE LINKE, der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch von der CDU-Fraktion eingebracht. Dazu kam ein Alternativantrag der AfD-Fraktion, der über die beiden anderen Anträge hinaus ging und diese noch konkretisierte. So forderte die AfD, die Fortbildung von ehrenamtlichen Richtern von aktiven bzw. pensionierten Richtern durchführen zu lassen.

Stephan Brandner erklärte, dass es nicht mehr Einfluss der Verbände geben müsse, sondern eine effektive und zielgerichtete Fortbildung der ehrenamtlichen Richter, wie von der AfD vorgeschlagen.

Im folgenden Antrag der CDU-Fraktion „Entwicklung und Perspektiven einer eigenständigen Jugendpolitik in Thüringen“ wurde die Landesregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Jugendverbänden ein jugendpolitisches Landesprogramm zur erarbeiten, welches den Rahmen für eine eigenständige Jugendpolitik bietet. Wiebke Muhsal verwies auf die jüngst in Sachsen-Anhalt stattgefundenen Landtagswahlen, bei denen die CDU von einem geringen Anteil der Jugendlichen gewählt wurde und bezeichnete den Antrag als CDU-typische Symbolpolitik.

Letzter Tagesordnungspunkt des zweiten Plenumstages war der CDU-Antrag „Gesunde Ernährung in Kindergarten und Schule verbessern – regionale Lebensmittel wertschätzen“, begleitet vom Alternativantrag der AfD „Gesunde Verpflegung für alle Kinder an Thüringer Schulen – regionale und saisonale Produkte bevorzugt verwenden“. Im AfD-Antrag wurde die Landesregierung aufgefordert, über die Situation der Schulverpflegung zu berichten und verbindliche Qualitätsstandards zu erarbeiten. Weiterhin forderte die AfD, den Trägern die Zahlung eines Zuschusses zum Schulessen zu ermöglichen und den Steuersatz auf Schulverpflegung generell auf sieben Prozent festzusetzen. Im Schwerpunkt soll gewährleistet werden, auch Kinder von einkommensschwachen Familien die Teilnahme an einem gesunden Schulessen zu ermöglichen, welches aus regionalen und saisonalen Produkten besteht.

Den Bericht vom dritten Plenumstag lesen Sie morgen.

Birgit Noll