Etwa 30 Jahre später wurde das eine System gegen das andere ausgetauscht: Das, welches die Not zur Tugend erklärte gegen das System, das sich die Moral erkauft und seine Bürger zu Klappe haltenden Konsumenten degradiert. Das eine Paradies, aus dem kein Verfolgter fliehen durfte, wurde durch das andere, das sich mit der Aufnahme von Millionen von Scheinflüchtlingen brüstet, ersetzt. Und keiner soll darüber nachdenken, weder der Bürger, noch der Bürgerrechtler.

Traute sich Tamara noch zwischen den Zeilen zu schreiben, an den Dumpfbacken der Gesinnung vorbei, waren ihre Schwestern und Brüder im goldenen Westen schon so dem Wohlstand verfallen, dass ihre Bequemlichkeit jeden Widerstand erstickt.

Wo sich das Gute des einen mit dem des anderen hätte verbinden können, beschlossen die politischen Verantwortungsträger, dass man die Menschen besser kontrolliert, wenn der Veränderungswille des einen Volkes an die Bedingung geknüpft ist, die Freiheit nur physisch auszuleben, nicht jedoch geistig und dass man die Macht behält, wenn der Wunsch nach dem Status quo des anderen Volkes erfüllt wurde, solange die Supermarktregale voll sind und der Zweitwagen finanzierbar ist. Und die Menschen machten immerhin mit. Aus Hoffnung, aus Gewohnheit, vielleicht auch aus Verzweiflung. Manch einer verlor vor lauter Globalisierung vermutlich die Koordinaten.

Und beide auf diese Weise in ihrer Obrigkeitshörigkeit vereinten Völker gebaren eine Generation, der in weiten Teilen die Fähigkeit abhanden gekommen ist, zu reflektieren und sich zu wehren. Das Kind aus der Verbindung ist blind und taub für die Welt außerhalb. Dafür aber auf Linie getrimmt, wie es in Geschichtsbüchern zu lesen ist. Aller schlechten Dinge sind drei und Deutschland darin Meister.

Soll das der Lohn dafür sein, dass sich Leute 1989 auf die Straße wagten, sich artikulierten und auf die Staatspfeifen pfiffen? Habt ihr Euch in Duisburg oder Stuttgart das derart vorgestellt oder ist euch das egal? Soll dies das Ergebnis von 1989 sein, dieses wabernde Etwas aus Ignoranz und Gleichgültigkeit, das mit Merkel aus der Uckermark eine körperliche Präsenz gefunden hat; reicht Euch dieses Nichts, das nicht mal zum Nihilismus reicht?

Wollt Ihr Lämmer vor dem letzten Zucken nur selbstmitleidig seufzen oder träumt Ihr vom Aufstand?

Nein, das kann nicht alles gewesen sein, das, was Deutschland gerade ist, ist nicht unser Werk. Deshalb: Ja, wir hier werden es nochmal machen, wir müssen es nochmal machen, ungeachtet dessen, ob es honoriert oder belächelt wird. Der Osten steht noch einmal auf.

Nadine Hoffmann