Sehr geehrter Herr Debes!
Als ich heute morgen beim Kaffeetrinken Ihren Zwischenruf („Alternative für Lieberknecht“) in der THÜRINGER ALLGEMEINEN las, war ich natürlich nicht erfreut über Ihre Aussagen zur AfD.
Zunächst nehmen Sie den Zustand unserer neuen Partei aufs Korn. Dieser stelle eine „politische Zumutung“ dar. Für mich ist es zunächst fraglich, ob der Zustand einer Organisation, denn nichts anderes ist eine Partei, eine Zumutung darstellen kann. Je nach politischem Standpunkt kann lediglich das politische Wollen einer solchen als Zumutung empfunden werden. Das will ich dem politischen Gegner gerne zugestehen.
Eine turbulente Aufbauphase ist für eine Partei, die noch nicht ein Jahr existiert, kaum verwunderlich. Keine Organisationsneugründung, sei es der sprichwörtliche Kleintierzüchterverein oder eben eine politische Partei, wird in der ersten Zeit ihres Bestehens von den bekannten gruppendynamischen Prozessen verschont bleiben. Das ist völlig normal, wie zahlreiche bekannte Beispiele aus der Parteiengeschichte der Bundesrepublik Deutschland belegen.
Daß die AfD in Thüringen „ein Panoptikum von Möchtegerns (und) anderswo Gescheiterten (…)“ ist, wie Sie unterstellen, kann ich nicht bestätigen. Natürlich zieht eine erfolgreiche Parteineugründung immer auch die Aufmerksamkeit politischer Konjunkturritter und selbstverliebter Hasardeure auf sich. Seien Sie aber versichert, daß diese Gruppe, wenn es sie denn überhaupt gibt, in der AfD Thüringen völlig bedeutungslos ist. Ich habe im letzten Jahr Hunderte Gespräche mit Mitstreitern in Thüringen geführt und zahlreiche Parteifreunde näher kennengelernt. Es sind Menschen aus allen Teilen unseres Volkes, die sich hier zusammengefunden haben: Handwerker, Angestellte, Unternehmer und Bildungsbürger. Alle eint eines: ein tiefer Leidensdruck, den der Zustand dieses Landes und der herrschenden Politikerkaste verursacht sowie der Wille, unseren Kindern und unserem Land eine Zukunft zu ermöglichen.
Wir sind auch keine Ansammlung von „national-religiösen Ideologen“, wie Sie uns das in Ihrem Zwischenruf unterstellen. Unser politischer Kampf ist dezidiert antiideologisch. Wir besitzen keinen Wahrheitsanspruch und treten denen entgegen, die im politischen Diskurs ihre Sicht auf die Dinge absolut setzen und andere Meinungen mit Hilfe des Herrschaftsinstruments „Politische Korrektheit“ unterdrücken. In unseren Augen ist die Meinungsfreiheit das zentrale Recht in der Demokratie. Ohne Meinungsfreiheit kann keine Demokratie gedacht werden. Daß aber die veröffentlichte Meinung und die öffentliche Meinung in unserem Land weit auseinanderliegen, kann Ihnen als Journalisten nicht entgangen sein. Wer aber dauerhaft die Meinung einer wachsenden Gruppe von Menschen aus dem politischen Diskurs fernhält, nährt die Politikverdrossenheit und gefährdet letztendlich die Demokratie selbst.
Richtig ist, daß es Christen in der AfD gibt. Das Christentum ist zweifellos Teil unserer Kultur und kann in seiner gemeinschaftsfördernden Wertsetzung einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Stabilität leisten. Ich selbst habe leider meine Glaubensgewißheit verloren, freue mich jedoch, wenn andere sie noch besitzen. Ich verfüge aber über eine metaphysische Orientierung, die mir eine große Distanz zum herrschenden Materialismus erlaubt.
Die von Ihnen gewitterte „Homophobie“ ist in unseren Reihen mit Sicherheit nicht weiter verbreitet als in anderen Parteien auch. Mir persönlich ist noch kein homophober AfDler begegnet. Zweifellos sind wir aber eine Partei, deren Mitglieder mehrheitlich selbst die klassische Familie leben und selbige als Keimzelle des Staates für besonders schützenswert halten. Besonders vor dem Hintergrund einer völligen Überschuldung der öffentlichen Hand, die in eine politische Handlungsunfähigkeit einmünden könnte, sollte sich dieser Staat sehr genau überlegen, wo er seine begrenzten Finanzmittel einsetzt, um seine Zukunftsfähigkeit zu sichern. Nur der Verbindung von Mann und Frau entspringen Kinder. Und nur eine ausreichende Kinderzahl verbürgt die Zukunft unseres Gemeinwesens.
Wenn Sie der AfD dann „billige Europafeindlichkeit“ unterstellen, kann ich ein Gähnen nicht unterdrücken. Das ist nicht Ihr Niveau, Herr Debes, denn der von Ihnen gepflegte Umgang mit Sprache verweist auf eine überdurchschnittliche Intelligenz. Ich habe Verständnis dafür, daß die Altparteien und die ihnen verbundenen Medienvertreter das Werden einer neuen politischen Konkurrenz nicht fördern mögen. Aber Unsachlichkeit, ja Hysterie, kann nicht die Grundlage des Umgangs miteinander sein. Wir können auf eine sehr große ökonomische Sachkompetenz in unseren Reihen verweisen. Und unsere einschlägigen wissenschaftlichen Analysen kommen zu dem Schluß, daß eine europäische Gemeinschaftswährung mit festen Wechselkursen, die Volkswirtschaften unterschiedlicher Leistungsfähigkeit zwangsvereint, das Gegenteil von dem erreicht, was sie vorgibt, erreichen zu wollen: sie spaltet Europa. Ich liebe die in Jahrtausenden organisch gewachsene europäische Vielfalt, ich habe die Kultur Europas in mir aufgenommen, ich kann mir Rechenschaft ablegen von 3000 Jahren europäischer Geschichte! Und weil das so ist, bekämpfe ich eine Einheitswährung, die die Menschen und Völker in Europas verarmen läßt und einen demokratisch nicht legitimierten Brüsseler Bürokratismus, der die Seele Europas zerstört, statt sie zu bewahren. Daher gilt: Wer ja zu Europa sagt, der muß nein zu dieser EU sagen.
Ob und mit wem es nach den Landtagswahlen eine politische Koalition geben kann, ist noch ferne Zukunftsmusik. Nach einer Phase der Sozialdemokratisierung unter Angela Merkel sitzt die CDU als „moderne Großstadtpartei“ in der Beliebigkeitsfalle, der sie nicht mehr entkommen kann. Dem Machterhaltungsverein CDU, der nicht nur in Thüringen ein jämmerliches Bild abgibt, vertrauen immer weniger Wähler, auch wenn er vielen noch als das kleinere Übel gilt. Schon Kurt Tucholsky wußte: „Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein.“ Im Altparteienkartell legt sich mittlerweile jeder mit jedem ins Koalitionsbett. Substanzlosigkeit und fehlende Prinzipientreue sind wesentliche Gründe, warum immer mehr Wähler unsere Parteiendemokratie als erstarrt erleben und in die Wahlverweigerung flüchten. Die AfD bietet sich diesen als politische Alternative an. Die AfD hat den Mut zur Wahrheit, sie hat den Mut zu Deutschland und sie hat den Mut zur Wertsetzung! Das muß die Abgeschliffenen zweifellos irritieren. Dafür habe ich Verständnis.
Lieber Herr Debes! Sie sind ein kluger Mann. Daher bitte ich Sie: Nehmen Sie sich die Lehren des kritischen Rationalismus zu Herzen. Überprüfen Sie unentwegt Ihre eigene Sicht auf die Dinge, hüten Sie sich vor zu schnellen Urteilen und gestehen Sie den Mitgliedern und Sympathisanten der AfD zu, daß sie nicht aus Übermut und Einfalt ihre Stimme erheben, sondern aus Sorge um die Zukunft Thüringens, Deutschlands und Europas!
Vielleicht sollten wir einfach mal miteinander ins Gespräch kommen.
Hochachtungsvoll!
Ihr
Björn Höcke, Landessprecher der AfD Thüringen, Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2014