Nachdem bereits in den letzten Wochen auf Antrag der Oppositionsfraktionen im Thüringer Landtag Sonderplenen durchgeführt wurden, setzte sich das an diesem Mittwoch fort. Grund war der Antrag der CDU-Fraktion: „Hat der Thüringer Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz sein Amt für private Zwecke missbräuchlich genutzt?“ Das Plenum befasste sich erneut mit den Vorgängen und Versäumnissen in der sogenannten „Sohnemann-Affäre“ um Justizminister Dieter Lauinger (GRÜNE).
Manfred Scherer (CDU) ergriff das Wort zur Begründung des Antrages seiner Fraktion. Am Vortag habe der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport gemeinsam mit dem Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in einer mehrstündigen gemeinsamen Sitzung beraten. Durch die Ausschüsse seien auch die 21 Fragen der CDU umfassend beantwortet worden, aber es fehlten die Konsequenzen seitens der Landesregierung. Stückweise wurden in den vergangenen zwei Wochen jeweils nur Erklärungen zu Vorgängen abgegeben, die ohnehin schon öffentlich bekannt waren.
Minister Lauinger (GRÜNE) entschuldigte sich vor dem Plenum für sein Verhalten. Er habe erkannt, dass es ihm nicht gelungen sei, seine Handlung als Vater von der als Minister zu trennen. Auch habe er lernen müssen, „dass gut gedacht nicht immer gut gemacht ist“. Gleichzeitig verwies er darauf, dass alle Fragen der CDU erschöpfend beantwortet worden seien.
Die Diskussion zum Sofortbericht des Ministers eröffnete Mike Mohring (CDU). Er stellte fest, dass trotz der Entschuldigungen nach wie vor die Einsicht des Ministers in seine Handlungen und die damit verbundenen Versäumnisse fehle. Lauinger habe zwei Wochen lang die Öffentlichkeit getäuscht und Möglichkeiten der Aufklärung nicht genutzt. Seine Handlung sei des Ministeramts nicht würdig. Lauinger nehme für sich ein Privileg in Anspruch, das für niemanden sonst im Land gelte. Mohring forderte Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) auf, Dieter Lauinger aus dem Ministeramt zu entlassen, sofern dieser nicht selbst handele.
Für die AfD-Fraktion legte Björn Höcke deren Position dar. Er erklärte die Bezeichnung „Sohnemann-Affäre“ als „unglücklich“, weil dadurch Lauingers Sohn in den Focus rücke, er als unbeteiligter Jugendlicher aber nicht für die Verfehlungen seines Vaters verantwortlich gemacht werden könne. Trotz der Unvereinbarkeit ihrer beiden politischen Standpunkte habe Höcke versucht, den Sachverhalt neutral zu bewerten und versucht, sich in die Lage des Vaters Lauinger hinein zu versetzen. Björn Höcke fasste die Ereignisse des komplexen Sachverhaltes in ihrer zeitlichen Reihenfolge zusammen und skizzierte Handlungsoptionen. Lauinger habe Privates und Dienstliches vermischt, daran könne es keinen Zweifel geben. Die Amigo-Strukturen im „Kabinett Ramelow“ entfalteten ihre Wirkungen sehr deutlich und sehr schnell.
Höcke wies darauf hin, dass Lauinger nach dem verlorenen Rechtsstreit gegen die AfD vor dem Thüringer Landesverfassungsgericht, als er öffentlich dazu aufgerufen hatte, die Demonstrationen der AfD nicht zu besuchen, erneut dem Rechtsstaat schweren Schaden zugefügt hat. Dieter Lauinger hat „weder das fachliche noch das charakterliche Format, um ein Ministeramt auszufüllen“, so Höcke weiter. Er forderte Ministerpräsident Ramelow auf, zu handeln.
In den Reden der Vertreter der Koalitionsfraktionen war vorrangig vom Vertrauensschutz die Rede, auch davon, dass die Auseinandersetzungen auf dem Rücken eines Kindes ausgetragen werden sollen. Unter Vertrauensschutz versteht man einen aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten verfassungsrechtlichen Grundsatz, der das Vertrauen des Bürgers in die Beständigkeit der Gesetze schützt. Der Bürger soll sich darauf verlassen dürfen, dass sein auf eine bestimmte Rechtslage gegründetes Verhalten nicht durch eine Rechtsänderung anders bewertet wird und getroffene Dispositionen dadurch entwertet werden. (Quelle: Duden Recht A-Z)
Die Abstimmungen verliefen erwartungsgemäß und brachten keine Überraschungen: Mit der Zustimmung durch die Abgeordneten der rot-rot-grünen Fraktionen wurde die Frage nach der Erfüllung des Berichtsersuchens bejaht. Der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion, eine Missbilligung der Verhaltensweise von Minister Lauinger und die Aufforderung zu dessen Entlassung erhielten die Stimmen der CDU- und AfD-Abgeordneten und erreichten damit nicht die Mehrheit.
Der Entschließungsantrag der AfD wurde von Stephan Brandner begründet. Darin wurde gefordert, die Konsequenzen aus dem Fehlverhalten der verantwortlichen politischen Akteure zu ziehen und weiteren Schaden von der Landesregierung abzuwenden. Außerdem wurde beantragt, die Spitzenpositionen des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, sowie des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport und der Thüringer Staatskanzlei neu zu besetzen.
Die beantragte namentliche Abstimmung endete mit der Zustimmung der AfD-Abgeordneten und verfehlte damit die Mehrheit.
Kurz vor Abschluss des Plenums musste der Landtagspräsident den Tod des ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel (FDP) und des hanseatischen Politikers Henning Voscherau (SPD) verkünden. Ihrer gedachte der Landtag mit einer Schweigeminute.
Birgit Noll