Die Konrad-Adenauer-Stiftung hatte in Ettersburg (Weimarer Land) zu einer Veranstaltung unter dem Titel „PEGIDA – ein regionales oder deutschlandweites Phänomen?“ eingeladen. Vortragender war Professor Werner Patzelt. Die CDU-Prominenz von Mittelthüringen war sehr zahlreich angereist und es sollte sich zeigen, daß es an der Parteibasis deutlich grummelt. Über die Kanzlerin gab es zwei Stunden lang kein einziges gutes Wort. Ihr Kurs wurde am laufenden Band kunstvoll zerpflückt, aber ihr Name wurde nie genannt. Sie ist mehr oder weniger verhaßt, aber ihr Geist schwebte wie in Shakespaeres Königsdramen unsichtbar im Raum und wird anscheinend immer noch sehr gefürchtet.
Patzelt wies zu Beginn darauf hin, daß keine Partei eine solche Mobilisierung wie PEGIDA als solidarisierendes Gemeinschaftserlebnis zustande bringt. Von den Demoteilnehmern seien 31 % kulturkonservativ, 24 % zuwanderungskritisch, 19 % islamavers 19 % rechtsradikal und 8 % Mainstream. Die PEGIDA, das sei die AfD auf der Straße, der Vulkanschlot, der in Dresden das dünne „zivilgesellschaftliche Deckgebirge“ durchstößt und das revolutionäre Magma an die Oberfläche strömen läßt.
Patzelt vertrat die These, daß PEGIDAs Mobilisierungskraft abnehmen würde, wenn eine Integrationspolitik wirklich greifen würde. Das sei nach der Umsetzung der 19 PEGIDA-Forderungen der Fall. Eine seriös agierende AfD würde PEGIDA dann ablösen. PEGIDA und die AfD konnten wegen einer deutlichen Repräsentationslücke aufkommen. Patzelt meinte damit, daß große Bevölkerungsteile in der Politik, in den Medien und in der Staatskultur nicht mehr vorkommen.
Mit PEGIDA käme die mediale Klasse nicht zurecht, irreführende Deutungsversuche (Nazis in Nadelstreifen, Mob, Muschpoke) überwogen. Daß es Leute mit echter Zuneigung zu ihrem Land mit Sorgen um Deutschlands Zukunft geben könnte, wurde nicht in Erwägung gezogen. „Narrative“ (Märchenerzählungen) der Multikulturalität seien die gängige Währung der Medien gewesen. Die Medien rangen um die „diskursive Hegemonie“ (ihren Alleinerklärungsanspruch).
Es gab einen Unwillen der PEGIDA-Gegner einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und sich mal in die PEGIDIANER hineinzuversetzen. Statt dessen versuchte man mit Gewalt kurzfristige Siege auf der Straße zu erkämpfen. Es wurde behauptet PEGIDA und die AfD seinen dumm und kenntnislos, sie sollten zuhören, begreifen, sich schämen und nach Hause gehen. Es gebe doch gar keine Moslems in Sachsen. Durch diese Trotzhaltung des Establishments mit Ausgrenzung statt Kommunikation verstetigte sich PEGIDA und radikalisierte sich. Für die CDU kam der Hochmut vor dem Fall bei den letzten drei Landtagswahlen.
Die politische Ordnung beruhe allein auf Kommunikation. Der Umgang der Politik mit PEGIDA zeigte uns das sehr unerfreuliche Gesicht der deutschen Journalisten, Eliten, Sozialwissenschaftler und Politiker, so der Politikwissenschaftler Patzelt.
Patzelt sieht eine Zeit des Umbruchs. Das Ende des sozialdemokratischen Zeitalters mit seinen Sozialsystemen und dem Drang immer mehr Minderheiten besserzustellen sei gekommen. Die Demografie, der internationale Wettbewerb, der Zusammenbruch von Steuern und Sozialabgaben und der weltweite Staatszerfall stünden bevor. Stabile Diktaturen seinen leichtfertig kaputtgemacht worden, mit Bürgerkriegen im Gefolge. Noch ringen die 68er verbissen um ihre Herrschaft, aber sie merken, daß die nächste Generation anders ist.
Nach diesem Vortrag diskutierten Patzelt und der thüringische CDU-Vorsitzende Mike Mohring. Mohring beklagte mit rot angelaufenem Hals die Politik der CDU-Zentrale, die sich um bürgerliche Wähler nicht mehr kümmere. Vor Jahren habe der Generalsekretär verkündet, daß Konservative ohnehin CDU wählen würden, was sich aktuell als Trugschluß erweist. Die Groko in Baden-Württemberg unter dem grünen Ministerpräsidenten werde zum weiteren Niedergang der CDU führen. Er beklagte, daß die CDU glaube im Mainstream mitschwimmen zu müssen. Nicht Linke dürften nach Mohrings Meinung entscheiden, was rechts ist. Alle innerparteiliche Kritik wurde von den Medien wie von der Partei immer als Kanzlerkritik verortet. Die falsche Parteilinie war, die AfD zu ignorieren. Mohring beklagte, daß sich niemand bei den Ostländern für die Grenzsicherung bedankt hätte. Statt dessen kam Kritik aus dem Kanzleramt an den Akteuren. Mohring forderte die Grenzen Europas selbst zu sichern, statt einem Diktator die Zugangskontrolle zu überlassen. Mohring wörtlich: „Andere sind frei ihre Souveränität zu schützen, wenn Deutschland seine Souveränität aufgibt.“ Mohring sprach sich auch gegen das Unterhaken mit den Linksparteien bei Lichterketten gegen „rechts“ aus.
Patzelt legte dar, daß die Regierung jetzt PEGIDA-Politik mache, ohne das zuzugeben. Die 19 Punkte waren die richtige Intention. Die Regierung änderte den Kurs, tut aber so, als wäre ihre alte Position richtig gewesen. Die Kanzlerin erklärt den Kurswechsel nicht. Die CDU habe ein Problem mit ihrem Führungspersonal. Wenn man Intellektuelle wie Gauland wegbeiße, sei man nicht mehr satisfaktionsfähig.
Der Dresdner Professor warb dafür sich mit der AfD auf Tolerierungsmodelle einzulassen oder Koalitionen mit ihr einzugehen. Eine Große Koalition dagegen wäre für die CDU schädlich. Patzelt hatte allerdings nicht auf dem Schirm, daß die AfD nach den beleidigenden Zurückweisungen durch die CDU keine Lust mehr auf ein Mitregieren als Juniorpartner hat.
Hinsichtlich des Politikstils beklagte Patzelt, daß von der Kanzlerin und den Medien Sachargumente durch Moralargumente ersetzt würden. „Was du gesagt hast, hat mich verschreckt“. Solche „Verkirchentagung“ des politischen Diskurses komme mittlerweile in allen Talkshows vor. Patzelt ist zuversichtlich, daß sich die Lage bessert, weil die 68er nicht das ewige Leben haben. Erstmals habe sich bei der Fußball-WM von 2006 gezeigt, daß ein Generationswechsel stattfindet und schwarz-rot-gold eine Renaissance erlebt.
Ach ja, die CDU-Basis: Immer wenn über Merkels Kurs gemeckert wurde, klatschten fast alle. Aber wer wagt endlich den Sturz der irrsinnigen Kanzlerin? Der Thüringer Mike Mohring bleibt wohl auch wie der Bayer Horst Seehofer ein Papiertiger. In der CDU fehlt einfach der entschlossene und mutige Brutus, der die Kanzlerin zur Strecke bringt. Wäre Frau Dr. Merkel überraschend in Ettersburg aufgetaucht, wären vermutlich alle aufgesprungen und hätten wie die Duracell-Häschen fünf Minuten vor Begeisterung getrommelt. Solche Schizophrenie gibt es nur in der CDU.
Vor Ort: Wolfgang Prabel