SEZESSION: Herr Höcke, die AfD hatte für den Mittwoch unter Ihrer Führung nach Erfurt zu einer Demonstration gegen den Asylwahnsinn gerufen, etwa 2000 Bürger kamen. Ist das der Ausdruck einer neuen Strategie Ihrer Partei?

HÖCKE: Das ist keine neue Strategie, sondern das Naheliegende. Das, was unser Landesverband getan hat, tut und tun wird, ist das nicht nur symbolische, sondern das echte Bündnis mit dem verzweifelten, ratlosen, aber zahlreicher werdende, widerständigen Mutbürgertum. Die Botschaft lautet: Es gibt keine flächendeckende Willkommenstrunkenheit, sondern eine mindestens ebenso starke und begründete Ablehnung des großen Asylexperiments, dem wir alle ausgesetzt sind. Das ist wohl das Wichtigste an unseren Bürgerversammlungen oder an der großen Demonstration in Erfurt: Wir zeigen den Leuten, daß es selbstverständlich erlaubt ist, sich gegen die allgemeinen Verlautbarungen zu stellen, und daß man dabei ganz und gar nicht alleine ist.

SEZESSION: Haben Sie den Eindruck, daß Sie da in ein politisches Vakuum vorstoßen?

HÖCKE: Ja. Die AfD ist tatsächlich die einzige, starke Partei, die sich in der jetzt schon unabwendbaren Staatskrise an die Seite der besorgten Bürger stellt und dem Protest eine Stimme gibt. Auf der Straße und im Parlament erinnern wir permanent eindringlich daran, daß es hohe Zeit ist, deutsche Interessen zu formulieren und sie auch durchzusetzen. Wir haben als Volk ein Recht auf eine Zukunft. Und wir werden uns dieses Recht nicht von einer durchgeknallten Pseudoelite nehmen lassen!

SEZESSION: Wie deuten Sie die nachgerade freiwillige Gleichschaltung der Medien, Politiker und »gesellschaftlich relevanten Gruppen« im Bezug auf den Asylansturm, also der von Ihnen angesprochenen „Pseudoelite“ ? Und vor allem: Wie weit entfernt ist das von den Bürgern? Oder finden Sie die »Willkommenskultur« im Lande bestätigt?

HÖCKE: Die freiwillige Gleichschaltung wird zum einen erklärbar, wenn man den geistigen Nährboden der Pseudoelite in den Blick nimmt: Das sind vorrangig ein zur Selbstauflösung strebender Humanitarismus und Hypermoralismus. Wer in der Vergangenheit, wo auch immer, vorwärts kommen wollte, mußte zudem glaubhaft versichern, die „richtigen Lehren“ aus der Geschichte gezogen zu haben und er mußte Deutschland als widerlegte Nation anerkennen. Die welthistorische Sendung könnte nun durch die „glücklichen Umstände“ tatsächlich in kürzester Zeit erfüllt werden. Was für eine Chance für die Deutschlandabschaffer.
Zum anderen dürfen wir die einzigartige Entstehungsbedingung dieser „Elite“ im Windschatten der Weltgeschichte nicht außer Acht lassen: Sie war ja niemals „Tatelite“ und hat sich nie in eine Bewährungssituation gestellt gesehen. Ein wirkliches „Wofür“ oder „Wohin“ gab es nicht und damit auch keine Widerstände, die zu überwinden waren. Es gab nur ein „Dagegen“ und ein moralisch verbrämtes Aufzehren der deutschen Substanz. Die bekannten negativen Selektionsprozesses haben dann zusätzlich dazu beigetragen, daß Maulhelden mit Untertanengeist  diese Pseudoelite dominieren. In einer ersten Phase rücken die Niedergangsgewinnler der letzten Jahrzehnte nun natürlich zusammen. Aber hinter den Kulissen ist die Unruhe bereits groß, das können Sie mir glauben.

SEZESSION: Es dabei aber wohl eher so, daß die politisch-mediale Klasse nicht über die Zukunftsaussichten eines überfremdeten Deutschlands in Unruhe geriete, sondern darüber, daß ihnen das Volk nicht mehr glaubt.

HÖCKE: Das hat natürlich damit zu tun, daß sich der Graben zwischen der Pseudoelite und dem Volk  in Windeseile verbreitert und bald unüberbrückbar sein wird. Anders als die Folgen des Eurodesasters lassen sich die des Asylansturms nicht in digitalen Zahlen verstecken. Sie bedeuten konkretes Erleben und Erleiden für jeden Einzelnen. In den letzten Tagen hat sich in unserem Land eine unheimliche Angstdynamik aufgebaut, die das dumme Geschwätz von einer freudvollen „Willkommenskultur“ zunehmend verstummen läßt. Revolutionserfahrene Thüringer berichten mir von einer Grundpolitisierung der Bevölkerung wie im Epochenjahr 1989.

SEZESSION: Was wären nun die vordringlichen Punkte, die umgesetzt werden müßten? Die Bundes-AfD hat ja ein Positions- und Forderungspapier vorgelegt – unterschreiben Sie das oder sehen Sie darin noch Defizite?

HÖCKE: Die AfD Fraktion im Thüringer Landtag hat ja bereits vor einigen Monaten ein sehr umfassendes Papier zum Thema „Asyl- und Zuwanderung“ vorgelegt. Es gilt als etwas „radikaler“ als das Bundespapier. Aber mit jedem Tag, den der Asylansturm andauert, werden die Antworten grundsätzlicher werden müssen. Als wir unser Papier vorstellten, ging man von 450.000 Asylsuchenden aus. Vor knapp einem Monat gab es erste Hinweise, daß es eine Million seien könnten. Mittlerweile sind  zwei Millionen allein in diesem Jahr eine mögliche Größe. Wer diese Lage treffend beschreiben will, muß sie als Invasion, also ungefragtes Eindringen, bezeichnen. Unser Staat hat nicht nur das Recht, seine Souveränität also auch sein Staatsgebiet zu verteidigen, er hat die Pflicht den Schutz seiner Bürger zu gewährleisten.
Das heißt, wir brauchen als erstes eine effektive Grenzsicherung. Ich möchte Bundeswehrsoldaten morgen nicht an der Grenze zu Rußland sehen, ich möchte sie an der deutschen Grenze sehen. Daß man zudem die bestehende Fehlanreize sofort abbaut, die die Wirtschaftsmigranten ins Land locken, ist eine Selbstverständlichkeit. Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein politischer Weg, der problemlos mit den Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates  vereinbar ist. Ein europäisches Grenzregime nach australischem Vorbild muß innerhalb weniger Monate aufgebaut werden. Ich sage in der derzeitigen Lage unmißverständlich ja zur Festung Europa.
Es ist jetzt bereits absehbar, daß die notwendigen Maßnahmen nicht oder nur unzureichend ergriffen werden. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen war eine klassische Nebelkerze aus dem Lager der Altparteien. Hierdurch kommt nämlich kein Asylsuchender weniger ins Land. Das Totalversagen der Bundeskanzlerin schreit förmlich nach Neuwahlen. Wenn der Herbst heiß wird und der Winter kalt,  wird die Staatskrise in selbigen einen ersten Höhepunkt erreicht haben.

SEZESSION: Lutz Bachmann, der Chef der PEGIDA-Bewegung, hat nun die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Jenseits allen Kopfschüttelns über dieses Vorhaben: Ist Ihnen bang?

HÖCKE: Ich schüttle doch zunächst den Kopf über diesen unnötigen Schritt Bachmanns, der sich vermutlich keinerlei Vorstellungen über den Aufwand eines Parteiaufbaus macht. Umfragen zeigen, daß selbst seine Anhängern zu fast 90 Prozent gegen eine Parteineugründung sind und auf die AfD als bestehenden parteipolitischen Arm verweisen. Bei der AfD hat das zwei Jahre lang gedauert, und mancherorts ist der Aufbau bis heute nicht abgeschlossen. Die Energie, die in die Selbstklärungsprozesse investiert werden müssen, stehen nicht für den Existenzkampf bereit, in dem sich unser Land befindet. Ein wahrer Patriot kann sich nicht derart an seinem Vaterland versündigen!
Ich glaube des weiteren nicht, daß Bachmann seine privilegierte Situation zu würdigen weiß: Montag für Montag eine Massendemonstration anzuführen und sich nicht mit dem administrativen Käfig einer Partei beschäftigen zu müssen – das halte ich für ein echtes Privileg. Ich vermute, daß die PEGIDA die Güter noch abwägen wird, mir jedenfalls wäre eine Aufgabenteilung samt punktueller Zusammenarbeit am liebsten. Eine weitere  Zersplitterung der an einer Zukunft Deutschlands interessierten Kräfte ist, ich möchte das nochmal betonen, unentschuldbar. Bevor er wirklich zur Tat schreitet, sollte Herr Bachmann vielleicht nochmal mit mir reden. Ich würde mich über ein Gespräch freuen.

Quelle: http://www.sezession.de/51583/unabwendbare-staatskrise-der-thueringer-afd-chef-bjoern-hoecke-im-gespraech.html