Jetzt ist er da, der offene Schlagabtausch zwischen Rot und Schwarz auf höchster bundesdeutscher Parteienebene. Wenige Monate vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen haben unsere Regierenden ihr Verständnis für den Osten entdeckt. Die Zeitungsberichterstattung über DEN Osten liest sich dennoch wie ein drittklassiger Groschenroman. Ein Streitpunkt ist die Grundrente der SPD: almosengleiche, sozialistische Umverteilung für die Älteren nach einem meist arbeitsreichen Leben. Von einigen Positionen ihrer bisherigen Politik will die SPD grundsätzlich abrücken, kündigt einen Schwenk um 180 Grad an und will vor allem weiter nach Links. „Aus 40 Jahren DDR nichts gelernt“ möchte man ihr zurufen. Der Ostbeauftragte Christian Hirte (CDU) sei eine „absolute Fehlbesetzung“, heißt es aus Kreisen der SPD-Führung. Gut, mit ein bischen politischem Realismus hätte man das schon früher erkennen können.

Woher wollen die Protagonisten der Altparteien, unabhängig von der politischen Farbgebung überhaupt wissen, wie es den Ostdeutschen geht, was sie denken, was sie brauchen? Woher sollten sie das Verständnis nehmen für deren Lebenswirklichkeit? In der bisher allzu verbreitenden Politikerkarriere Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal lernt man das nicht, auch nicht im Ein-Tages-Praktikum in einem Pflegeheim.

Zu lesen ist darüber, ob die Ostdeutschen nur jammern würden oder nicht, dass sie forderten, mehr Geld im Osten umzuverteilen. Millionen und Milliarden Euro sollen ausgegeben werden, ohne überhaupt die Frage zu stellen, woher das Geld kommen soll: Sozialismus in Reinkultur, das wollen die meisten Ostdeutschen sicherlich nicht. Sie wollen gute Arbeitsplätze mit einer vernünftigen Bezahlung. Gute Arbeit, gutes Einkommen und gute Renten – für sich und ihre Familien.

Jeder will es besser wissen und sie alle hatten in jahrelanger Regierungsbeteiligung die Chance, es besser zu machen. Warum so viel Ostverständnis und warum gerade jetzt? Die Angst scheint tief zu sitzen bei christ- und noch mehr bei sozialdemokratischen Gemütern. Es geht um Posten, es geht um Macht und es geht um viel Geld. So haut man sich gegenseitig die Vorwürfe um die Ohren, wer was wie lange versäumt hat und warum.

Plötzlich ist ein neuer Stern am bundesdeutschen Parteienhimmel. Eine Partei, die nach 6 Jahren ihres jungen Bestehens in allen Landtagen der Republik und im Deutschen Bundestag vertreten ist. Eine Partei, für die es möglich zu sein scheint, bei den kommenden drei Landtagswahlen im Osten die 20 % – Hürde locker zu nehmen und den Weg zur Volkspartei erfolgreich weiter zu beschreiten.

Nichts hat gegen diese Partei geholfen: Die AfD wurde totgeschwiegen und lächerlich gemacht, oft genug für tot erklärt. Zerstritten sei die Partei, rückwärtsgewandt, rechtsextrem ….. und was nicht noch alles. Ihren Mitgliedern und Sympathisanten wurde mit Arbeitsplatzverlust und Rausschmiss aus Fußballfanclubs gedroht. Lehrer warnten vor ihr im „Demokratie“-unterricht. An Hetzjagden und Aufmärschen hätten AfD-Politiker teilgenommen – so ein Unsinn. Jetzt ist die AfD ein Prüffall für den Verfassungsschutz. Nach der gleichen Definition (Erfassen öffentlich zugänglicher Informationen) habe ich persönlich jeden Tag mehrere Prüffälle – wenn ich Zeitung lese oder mich bei Facebook umschaue. Würde ich das deshalb so bezeichnen?

Zurück zu unseren neuen Verständnisvollen: In monatelangen Verhandlungen haben sie sich bis zur Unkenntlichkeit verbogen, um einen Koalitionsvertrag zu vereinbaren, auf dessen Zerbrechen sie nun mit Riesenschritten zugehen. Wer soll denn noch daran glauben, dass sich in diesem Land etwas verbessert für die Berufstätigen und Steuerzahler, für die Familien mit ihren Kindern, für Rentner, Arbeitslose und alle, die ihr Leben in Sicherheit und Zukunftsgewissheit hier gestalten wollen, wenn diese Politik so weiter betrieben wird? Was soll sich denn ändern, wenn die Posten derselben Politiker nach entsprechenden Wahlergebnissen weiter gesichert sein sollten?

Sapere aude: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes  zu bedienen!“ (wird Immanuel Kant zugeschrieben)

 

Birgit Noll