„36 Grad und es wird noch heißer“ sangen 2Raumwohnung vor ein paar Jahren in ihrem Sommerhit. Das hätte auch die Überschrift für den Essener Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) sein können, der am vergangenen Wochenende stattgefunden hat. Und das nicht nur, weil die Sonne unbarmherzig auf das Dach der Grugahalle prasselte und die Klimaanlage in der Halle an ihre Grenzen kam. Erwartungsgemäß kam es zu hitzigen Diskussionen, die neben einer sachlichen Darlegung auch emotional aufgeladen waren.

Mehr als 3.500 AfD-Mitglieder hatten sich nach Essen auf den Weg gemacht, um an der Wahl eines neuen Bundesvorstandes und der demokratischen Richtungsentscheidung ihrer Partei teilzunehmen.

In den letzten Wochen und Monaten war die innerparteiliche Diskussion um die Ausrichtung der AfD das alles beherrschende Thema in der Partei. Obwohl die politische Wirklichkeit der fehlenden Konzepte mit der Griechenlandhilfe, der Asyl- und Zuwanderungspolitik in Deutschland und Europa sowie weiterer Themen der AfD eine Steilvorlage nach der anderen präsentierte, beschäftigte die sich hauptsächlich mit sich selbst. Sicherlich stimmten alle Teilnehmer des Parteitages darin überein, dass sich das schnellstens wieder ändern muss. Dazu gab es allerdings unterschiedliche Ziele und Bestrebungen.

Einerseits sehnte sich eine Vielzahl Parteimitglieder zurück zu den ursprünglichen Zielen der AfD, die die Gründe waren, warum sie in diese Partei eingetreten sind und sich seither engagieren. Viele von ihnen haben die „Erfurter Resolution“ unterschrieben und sind dem „Flügel“ zuzuordnen.

Auf der anderen Seite sind die Mitglieder und Sympathisanten des „Weckruf 2015“ zu nennen, des Vereines, den Bernd Lucke vor wenigen Wochen gegründet hat. Betrachtet man die Aussagen, die beide Strömungen vertreten, sind nur wenige Unterschiede auszumachen.

In der Eröffnungsrede von Konrad Adam und den Beiträgen der Sprecher des bisherigen Bundesvorstandes Frauke Petry und Bernd Lucke wurden die jeweiligen Positionen und Zielrichtungen deutlich gemacht. Die Reaktionen des Publikums darauf waren sehr unterschiedlich und reichten von stehenden Ovationen bis zu Buh-Rufen. Bei allen verständlichen Emotionen, von denen dieser Parteitag begleitet war, sind letztgenannte Reaktionen nicht zu dulden. Dementsprechend wurde vom Tagespräsidium die Wahrung des gegenseitigen Respektes angemahnt.

Planmäßig begann am Nachmittag des ersten Tages die Wahl des neuen Bundesvorstandes mit der Wahl der beiden Sprecher. Im ersten Wahlgang setzte sich Frauke Petry mit ca. 60 % der Stimmen eindeutig gegen Bernd Lucke mit ca. 38 % der Stimmen durch. Nach Bekanntgabe dieses Wahlergebnisses verließ Bernd Lucke den Saal, gefolgt von einigen Befürwortern des „Weckruf-Vereins“. Als zweiter gleichberechtigter Sprecher wurde Jörg Meuthen gewählt. Der Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaften steht er für die wirtschaftsliberalen Positionen der AfD.

Alexander Gauland, Beatrix von Storch und Albrecht Glaser wurden jeweils in die Funktion eines stellvertretenden Bundessprechers gewählt. Mit Klaus Fohrmann als Bundesschatzmeister und Bodo Suhren als seinem Stellvertreter liegen die Parteifinanzen sicherlich in guten Händen. Komplettiert wird der neu gewählte Bundesvorstand von sechs ebenfalls kompetenten Beisitzern.

Die Wahl von sechs Richtern für das Bundesschiedsgericht bildet eine gute Basis für die Rechtssicherheit der innerparteilichen Vorgänge.

In den Redebeiträgen, die am Sonntag gehalten wurden, war überwiegend Erleichterung und Zuversicht zu spüren. Die Zuversicht, dass die AfD ihre internen Auseinandersetzungen überwunden hat und sich der Programmatik in einer sachlichen Debatte und mit gegenseitigem Respekt widmen kann. Die Fachausschüsse in den Landesverbänden und im Bundesverband werden ihre Arbeit wieder aufnehmen bzw. fortsetzen, damit die Sacharbeit konsequent in den Mittelpunkt gerückt wird. Die Erarbeitung eines Bundesparteiprogrammes soll in einem demokratischen Entscheidungsprozess unter Mitwirkung möglichst vieler Mitglieder bis zum Ende des Jahres abgeschlossen werden.

Die AfD darf sich thematisch nicht einengen lassen, muss selbstbewusst ihre Themen vertreten und nicht die Angepasstheit an einen möglichen großen Koalitionspartner anstreben.

Ein paar Worte zur Presse: Die vielfach nachzulesende tendenziöse Berichterstattung über den angeblichen „Rechtsruck“ der AfD und andere schöngeistige Inhalte war zu erwarten und wird niemanden in der Partei wirklich überraschen. Eine wahrheitsgetreue Information sollte es hingegen schon sein. Meldungen wie: Frauke Petry führt die Partei künftig alleine“ von einer Journalistin des MDR und weitere ähnliche sind einfach falsch. Jörg Meuthen ist weiterer gleichberechtigter Sprecher der AfD! Auffällig ist ebenfalls die in vielen Medienberichten herbeigeschriebene wundersame Wandlung des Bernd Lucke als Populist und Demagoge (vor dem Parteitag) zu einem wirtschaftsliberalen Märtyrer nach der Wahl der neuen Vorstandssprecher.

Mit dem Vorwurf des „Rechtsruck“ wird die AfD eine Zeit leben müssen, auch damit, dass derartige Vorhaltungen aus den Reihen der „Weckruf“-Vertreter bzw. bisheriger AfD-Mitglieder kommen. Im Vordergrund steht jetzt, das Ergebnis dieses Parteitages als Chance zu begreifen und zu nutzen sowie alle aktiven und konstruktiven Kräfte einzubeziehen.

In ihrem Schlusswort zog  Frauke Petry eine positive Bilanz des Parteitages. Sie teilte mit, dass sie sich für eine dauerhafte Besetzung des Bundesvorstandes mit zwei Sprechern einsetzen werde. Außerdem dankte sie dem Tagungspräsidium, das den Parteitag zu jedem Zeitpunkt sehr souverän und kompetent leitete,  sowie allen Helfern, die zum Gelingen dieses größten Parteitages in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beigetragen hatten.

Autor: Birgit Noll

Bilder: Marcus Bühl