AfD-Fraktion fordert grundlegende Änderung des anachronistischen Immunitätsrechts

Die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit von Parlamenten durch das Immunitätsrecht hatte in der Vergangenheit seine Berechtigung. In Zeiten, in denen nicht davor zurückgeschreckt wurde, Parlamente durch willkürliche Anklagen oder Festnahmen von Abgeordneten zu lähmen, war der Schutz vor politisch missbrauchter Strafverfolgung notwendig. Solche Verhältnisse haben wir heute in Deutschland allerdings nicht mehr.

Jetzt ist es vielmehr so, dass sich die ursprüngliche Schutzfunktion für Abgeordnete in ihr Gegenteil verkehrt hat. Denn die Aufhebung der Immunität wird medial so orchestriert, dass sie ungewollt oder gewollt zu einer Vorverurteilung führen kann. Auch wenn sich anschließend herausstellt, dass der Abgeordnete unschuldig ist, ist sein Ruf beschädigt. Deswegen können Anzeigen auch missbraucht werden, um einem politischen oder innerparteilichen Konkurrenten zu schaden.

Dabei ist die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten für die Staatsanwaltschaft nur ein Routineakt. Ergeht eine Anzeige, muss die Staatsanwaltschaft – gesetzlich gezwungen – tätig werden. Ein möglicher Anfangsverdacht kann bei einem Abgeordneten erst dann geprüft werden, wenn dessen Immunität aufgehoben wurde. Das heißt durch die Aufhebung der Immunität ist allein noch gar nichts erwiesen, vielmehr kann die Staatsanwaltschaft erst dann ihre Arbeit aufnehmen.

Diese genannten Mängel beim Immunitätsrecht sind längst bekannt. Im Land Brandenburg haben die Abgeordneten daher nicht automatisch eine Immunität. Diese wird ihnen erst verliehen, wenn die Funktionsfähigkeit des Parlaments bedroht ist, weil Abgeordneten fadenscheinige Strafverfahren drohen. Einzelne Abgeordnete können zudem für sich Immunität beantragen, wenn sie sich zu Unrecht von den Strafverfolgungsbehörden angegangen sehen. Es gab im Land Brandenburg allerdings bisher noch keine entsprechenden Fälle.

Aufgrund aktueller Entwicklungen ist die AfD-Fraktion zur Erkenntnis gelangt, dass dieses Brandenburger Modell, das es zusätzlich noch in Hamburg gibt, auch in Thüringen eingeführt werden sollte.

Abgeordnete der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag sind in den vergangenen Monaten Ziele von Anschuldigungen geworden, die an den Haaren herbeigezogen waren und als politisch motiviert gelten.

Die Abgeordnete Wiebke Muhsal wurde am 23. Januar 2015 von einer Person angezeigt, die behauptete, dass Frau Muhsal sie gebissen hätte. Die Staatsanwaltschaft stellte die Voruntersuchung der absurden Vorwürfe wegen mangelnden öffentlichen Interesses ein. Trotzdem musste Frau Muhsal eine breite Presseberichterstattung über den Vorfall erdulden.

Am 29. April 2015 hob der Justizausschuss des Landtags die Immunität des Abgeordneten Stephan Brandner auf. Ihm wurde eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte vorgeworfen. Es folgten wiederum mehrere Artikel in Medien. Die Vorwürfe waren allerdings frei erfunden und daher haltlos.

Die Immunität von Wiebke Muhsal wurde am 12. Juni aufgehoben. Eine ehemalige Mitarbeiterin erstattete nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Frau Muhsal Anzeige, da Frau Muhsal angeblich Scheingehälter abgerechnet haben soll. Auch in diesem Fall gab es einen großen medialen Aufschrei, der immer wieder hochkocht, solange die Ermittlungen noch nicht offiziell abgeschlossen sind. Selbstredend sind die Vorwürfe falsch.

In dieser Woche wurde bekannt, dass auch der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Björn Höcke, damit rechnen muss, dass seine Immunität aufgehoben wird. Es soll angeblich Unregelmäßigkeiten bei der Anstellung seines Wahlkreismitarbeiters geben. Auch wenn nun erneut eine große Berichterstattung über den Fall anläuft, entbehren die Vorwürfe jeglicher Grundlage. Nach menschlichem Ermessen hat sich Herr Höcke nichts vorzuwerfen. Der Arbeitsvertrag fußt auf einem vom Landtag gestellten Blankoarbeitsvertrag. Die Landtagsverwaltung hat diesen Vertrag selbstverständlich gründlich geprüft und hatte nichts an der vereinbarten Vergütung oder der angesetzten Arbeitszeit auszusetzen. Herr Höcke bat deshalb den Justizausschuss, seine Immunität aufzuheben, damit die Vorwürfe möglichst schnell geklärt und aus der Welt geschaffen werden können. Nach Akteneinsicht wird er gegen den Urheber dieser Verleumdungen juristisch vorgehen, wie auch gegen diejenigen, die meinen, sie könnten vertrauliche Vorgänge öffentlich machen, um dem betroffenen Abgeordneten zu schaden. Der Zeitpunkt kurz vor dem Bundesparteitag der AfD ist von den Urhebern dieser Schmutzkampagne sehr bewusst gewählt worden, um möglichst viel Schaden anzurichten.

Zum dritten Mal in kürzester Zeit soll also nun wegen haltloser Anschuldigungen und untragbarer Behauptungen, die offensichtlich nur dem Zweck dienen, AfD-Abgeordnete zu diffamieren, die Immunität eines AfD-Fraktionsmitglieds aufgehoben werden. Dass alle diese Vorgänge bereits im Vorfeld offensiv an die Presse gespielt wurden, zeigt deutlich, dass es nur darum geht, das Immunitätsrecht zu politischen Zwecken zu missbrauchen. Diese Vorgehensweise schadet nicht nur den Abgeordneten, sondern auch dem Ansehen des Parlaments und der Demokratie insgesamt. Im Übrigen handelt es sich bei diesen Vorgängen um schwere Straftaten. Geheimnisverrat wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet (StGB 353b, Absatz 2). Die betroffen AfD-Abgeordneten werden dies juristisch verfolgen. Es bedarf aber auch einer grundlegenden Änderung des Immunitätsrechts nach Brandenburger oder Hamburger Vorbild. Dass dies notwendig ist, wird auch vom Landtagspräsidenten und der Landtagsverwaltung betont. Das Immunitätsrecht darf nicht dazu führen, dass die Aufhebung der Immunität zu einer Vorverurteilung führt, die am Betroffenen hängen bleibt, auch wenn seine Unschuld feststeht. In seiner gegenwärtigen Ausprägung ist das Immunitätsrecht in seiner ursprünglichen Zielsetzung pervertiert: Es schützt den Volksvertreter nicht, sondern schadet ihm unter Umständen massiv.

Die AfD-Fraktion wird alles tun, damit dieser unhaltbare Zustand beendet wird. Da auch das Ansehen von Abgeordneten der anderen Fraktionen in der Vergangenheit bereits wiederholt in Mitleidenschaft gezogen worden ist, wird auf eine fraktionsübergreifende Lösung hingearbeitet werden. Ziel könnte eine Verfassungsänderung an, durch die ein Immunitätsrecht nach Brandenburger Vorbild umgesetzt werden kann. Erst dann wird dem Immunitätsrecht das politische Skandalisierungspotential genommen worden sein, durch das mediale Hetzkampagnen möglich werden.

Um ein politisches Aufbruchssignal zu geben, haben alle Abgeordneten der AfD-Fraktion ihren Willen bekundet, freiwillig auf ihre Immunität zu verzichten.

Quelle: AfD-Fraktion