Björn Höcke ist Landeschef der AfD in Thüringen und führt die dortige Fraktion im Landtag. Wir sprachen mit ihm über die PEGIDA, die am kommenden Montag rund 20 000 Teilnehmer zu ihrer letzten Kundgebung in diesem Jahr erwarten.
SEZESSION: Björn, Alexander Gauland war am Montag in Dresden und hat eine friedliche Massendemonstration gesehen, Frauke Petry hat im MDR die PEGIDA verteidigt. Wie ist Deine Position?
HÖCKE: Die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit sind Freiheitsrechte, ohne die es keine Demokratie gibt. Unsere Vorfahren haben diese Rechte oft unter Einsatz ihres Lebens erkämpft. Die Initiatoren und Unterstützer der Pegida üben diese Freiheitsrechte in vorbildlicher Art und Weise aus. Selbst Störaktionen von Provokateuren lassen sie in beispielhafter Gelassenheit über sich ergehen. Ein Staat kann sich glücklich schätzen, solche Bürger zu haben.
SEZESSION: Nachdem die Nazikeule nicht wirkte, versucht man nun, das Anliegen der PEGIDA als diffuse Angst hinzustellen.
HÖCKE: Bundesinnenminister Thomas de Maiziere wird heute (16.12) in der Presse folgendermaßen zitiert: „Es gibt keine wirkliche Gefahr der Islamisierung unseres Landes.“ Diese Aussage ist nicht geeignet, einen zentralen Demonstrationsgrund der Pegida in Frage zu stellen. Im Gegenteil bedeutet sie den Offenbarungseid der politisch-medialen Klasse und der gesellschaftlich immer irrelevanter werdenden Gruppen (Kirchen, Gewerkschaften etc.) dar. „(…) keine wirkliche Gefahr“ ist ein Eingeständnis dafür, daß doch ein Restrisiko für eine Islamisierung besteht.
Warum gehen die herrschenden Politiker dieses Restrisiko ein? Ist etwa eine Höherentwicklung Europas durch eine Islamisierung denkbar? Wohl kaum, denn ich sehe nicht die kulturelle Überlegenheit des Islam oder ein Innovationspotential, das dem Abendland neue Schübe verleihen könnte. Ich sehe also keinen Nutzen am Fortgang einer Entwicklung, die immer mehr Menschen registrieren. Und weil diese Entwicklung für unsere Identität ein bedrohliches Restrisiko birgt, muß sie beendet werden. Dafür zu demonstrieren, lohnt allemal.
SEZESSION: Umfragen ergaben, daß über 50% der Bürger deutschlandweit das Anliegen der PEGIDA für legitim halten, unter den AfD-Wählern sind es sogar 86%. Müßte Deine Partei in Dresden nicht viel offensiver punkten?
HÖCKE: Meines Wissens meiden die Initiatoren die parteipolitische Nähe. Diese Unabhängigkeit bedingt sicher auch den großen Zulauf. Früher oder später muß die PEGIDA dann aber doch die Frage nach dem politischen Einfluß stellen. Demonstrationen verkommen zur Selbstdarstellung, wenn sie nicht mit dem Anspruch auf Veränderung durchgeführt werden. Irgendwann wird das auch für die engagiertesten Teilnehmer zur Belastungsprobe. Da die großen Themen, die PEGIDA aufgreift, Bundesthemen sind, dort aber noch keine direktdemokratischen Einflußmöglichkeiten existieren, bleibt nur der parteipolitische Weg. Anfang 2013 stand die WA 2013 vor derselben Entscheidung und wurde zur AfD.
Ich würde mich freuen, wenn PEGIDA und AfD noch enger kooperierten. Wenn dies offiziell geschieht, verlangt das allerdings etwas Disziplin seitens der PEGIDA-Initiatoren. Manche Redeäußerungen in Dresden und anderswo sind eben nicht mit der gegenwärtigen AfD-Programmatik kompatibel. Auch das muß man sehen.
SEZESSION: Ein Beispiel für die Nicht-Kompatibilität? Fordert die AfD mehr?
HÖCKE: Die Thesen, die ich von PEGIDA kenne, sind vereinzelt unpräzise bzw. erklärungsbedürftig und in der Gesamtschau nicht ganz konsistent. Das vorab.
Und mit einer These wie „PEGIDA ist für sexuelle Selbstbestimmung“ kann ich nichts anfangen. Drückt diese These nur die Selbstverständlichkeit aus, daß jeder Mensch in körperlichen Dingen nach seiner Façon selig werden soll oder ist das eine indirekte Kampfansage an die klassische Familie, die die AfD als Keimzelle von Staat und Volk anerkennt? Wenn sich PEGIDA „für die Erhaltung und den Schutz unseres christlich-jüdisch geprägten Abendlandes“ einsetzt, dann freut mich das einerseits, andererseits bemerke ich das Fehlen der antiken und germanischen Wurzeln desselben. Ich denke, es muß noch einmal nachgearbeitet werden.