Björn Höcke, 41, ist AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen in Thüringen am 14. September. Ein Gespräch über Moscheen, Koalitionen und das bedrohte konservative Profil der Partei.
Im Interview mit dem katholischen Onlinemagazin kath.net betonte Bernd Lucke Ende Juli: „Selbstverständlich dürfen Moslems hier Moscheen errichten.” Würde Ihnen eine Moschee in Erfurt gefallen?
Björn Höcke: Mir wurde zugetragen, daß es bereits eine Moschee in Erfurt gibt. Sie besitzt aber wohl kein Minarett, das für viele zum Symbol für Landnahme geworden ist. Ich postuliere den säkularen Staat. Religion ist Privatsache. Jeder Moslem kann in Deutschland selbstverständlich seine Religion ausüben ‒ auch ohne Moschee. Daß zunehmend Moscheen gebaut werden, zeugt von einem großem Selbstbewußtsein der Zuwanderer und einem gewaltigen ethnischen sowie kulturellen Transformationsprozeß, der vor unser aller Augen abläuft.
Mein Parteifreund Alexander Gauland sprach erst kürzlich davon, daß der Islam kein Teil Deutschlands ist. Ob das in hundert Jahren der Fall sein werde, wisse er nicht. Ich persönlich hoffe das nicht. Der Islam ist mir wesensfremd.
Also wollen Sie doch keine Moscheen oder zumindest keine Minarette in Deutschland?
Thilo Sarrazin sagte einmal, daß er, wenn er den Muezzin rufen hören möchte, ins Morgenland fahren würde. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich wünsche nicht, daß Europa ein vom Islam dominierter Kontinent wird ‒ er hat eine Heimat. Punkt.
Wie will Ihre Partei den von Ihnen benannten „gewaltigen ethnischen sowie kulturellen Transformationsprozeß” aufhalten?
In den drei Landesverbänden Brandenburg, Sachsen und Thüringen, die zurzeit Wahlkampf führen, ist in einer unabhängig voneinander ablaufenden Programmarbeit sehr viel Wert auf Aussagen zur eigenen Identität gelegt worden. In der Präambel des Landtagswahlprogramms der AfD Thüringen steht dazu folgendes: „Wir werden mit aller Kraft an der Zukunftsfähigkeit unseres Landes und Volkes arbeiten. Das ideelle und materielle Erbe, das wir erhalten haben, wollen wir ungeschmälert an unsere Kinder weitergeben. Wir bekennen uns zu unserer Identität als Thüringer, Deutsche und Europäer, pflegen und verteidigen diese und erkennen in ihr die Grundlage unserer Weltoffenheit.”
Ich selbst betone immer wieder, daß ich die Frage nach der Identität für die zentrale Frage der Menschheit im 21. Jahrhundert halte, denn sie ist der Schlüssel zu ökonomischen und ökologischen Homöostasen, also ausgleichenden Selbstregulierungen einer Gesellschaft. Die Deutschen und die Europäer haben die Aufgabe, den Wert ihrer Hochkultur wiederzuentdecken. Dazu brauchen wir eine deutliche Scheidung der Begriffe Toleranz und Selbstaufgabe.
Mitte Juli lag die AfD Thüringen in Umfragen bei vier Prozent. Die sächsische AfD-Chefin Frauke Petry dagegen überrascht aktuell mit rund sieben Prozent. Was fehlt Ihnen im Vergleich zu Sachsen?
Ich kann nur mutmaßen: Die Sachsen haben eine stark ausgeprägte Identität. Sie wird durch die Grenzlage und die in diesem Zusammenhang auftretende grenzüberschreitende Kriminalität indirekt weiter befördert. Hieraus resultiert eine konservative Grundeinstellung vieler Sachsen. Die AfD kann sich dort als werteorientierte und identitäre Kraft besonders gut etablieren. Die Thüringer hegen zwar ebenfalls große landsmannschaftliche Gefühle, besitzen aber parteipolitisch eine beachtliche Affinität zur Partei Die Linke, die in Umfragen regelmäßig über 25 Prozent liegt.
Vielleicht spielt hier auch die besonders turbulente Anfangsphase der AfD in Thüringen eine Rolle. Wir mußten viel Zeit und Energie in die Klärung von gruppendynamischen Prozessen stecken, die nicht für die notwendige politische Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden konnten. Ohne auf empirische Daten zurückgreifen zu können, vermute ich, daß der Bekanntheitsgrad der AfD in Thüringen hinter dem in Sachsen zurückbleibt. Wir werden in den nächsten Wochen sehr hart dafür arbeiten müssen, die AfD ins Bewußtsein der Wähler zu bringen. Aber wir werden das schaffen.
Petry erklärte Anfang Juli gegenüber der Leipziger Volkszeitung, sie würde unter Umständen ein Linksbündnis tolerieren. Ist das auch eine Option für Sie? In Thüringen könnte Bodo Ramelow der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland werden.
Ich glaube, Petry wollte mit dieser Aussage nur deutlich machen, daß wir nicht unbedingt der natürliche Partner der CDU sind. Als Reaktion auf die Absage vieler CDU-Größen an eine Koalition mit der AfD sollte man ja auch nicht unbedingt mit Anbiederung reagieren, nicht wahr? Die AfD hat mittelfristig ein Potential von 25 Prozent. Wenn Bernd Lucke sie auch vor diesem Hintergrund als „neue Volkspartei” sieht, dann können wir im Geschacher um mögliche Koalitionen gelassen und souverän bleiben. Unsere Zeit wird kommen.
Sie sind wohl Optimist? Circa 25 Prozent schafft bundesweit vielleicht die SPD. Bisherige konservative Parteien sind bereits mittelfristig an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.
Die AfD ist keine rein konservative Partei. In ihr finden sich auch Liberale und selbst Menschen, die sich eher „links” verorten. Das drückt sich auch in unserem derzeitigen Wählerklientel aus. Es stellt einen Querschnitt durch das politische Spektrum dar. Zudem konnten wir bei den letzten Wahlen viele Nichtwähler für uns gewinnen. Alle eint jedoch der Wunsch, den gesunden Menschenverstand in die Politik einzuspeisen und die Ideologisierung selbiger zurückzudrängen.
Die AfD hat eine historische Mission. In meinen Augen ist das die Rückeroberung der Meinungsfreiheit. Ich betone, die politische Korrektheit liegt wie der Mehltau auf unserem Land und ich bin angetreten, diesen Mehltau abzuräumen. Bisher wird eine ergebnisoffene, ideologiefreie Erörterung zukunftsrelevanter Politikbereiche wie Einwanderung, Demographie, Währung, Staatsschulden etc. vom Altparteienkartell unterbunden. Das Brett, das wir bohren müssen, ist sehr dick. Aber wir werden diese Arbeit leisten. Ob darüber eine Legislaturperiode Rot-Rot in einem Bundesland Geschichte wird, ist für mich eine vernachlässigbare Größe.
Vernachlässigbar? Mit einem linken Ministerpräsidenten würde es mit der Meinungsfreiheit, insbesondere im „Kampf gegen Rechts”, bergab gehen. Will Ihre Partei das in Thüringen nicht entschieden verhindern?
Zunächst: Der „Kampf gegen Rechts” nährt nur allzu oft den Linksextremismus. Die AfD wendet sich gegen jede Art von Extremismus. Inwieweit ein demokratischer Rechtsstaat, und mit welchen Erfolgsabsichten, erzieherisch auf seine Bürger einwirken darf, ist fraglich. Ich kenne keinen anderen demokratischen Staat, der dies mit dem hierzulande beobachtbaren Eifer tut.
Auch ein linker Ministerpräsident, der versucht sein könnte, staatliche Organe oder aus Steuergeldern finanzierte Institutionen als politischen Arm zu mißbrauchen, kann auf Dauer die Realitäten nicht negieren. Die Wirklichkeit hat kein Benehmen, sie ohrfeigt auch den Ideologen unversehens und gibt ihn der Lächerlichkeit preis.
Angenommen, Sie kommen in den Thüringer Landtag: Mit wem würden Sie über eine Koalition verhandeln wollen?
Björn Höcke: Ich möchte hier keinen Koalitionswunsch äußern. Es ist selbstverständlich so, daß der größere Partner auf den kleineren zugeht. Ich bin ein bescheidener Mensch. Ich gehe nicht davon aus, daß wir der größere Partner sein werden. Natürlich ist eine Fundamentalopposition keine taktische Option, weil der Wähler seine Inhalte umgesetzt sehen möchte und eine Machtoption wünscht. Es gibt jedoch nicht wenige in den Reihen der Thüringer AfD, die sich noch mehr Zeit für die weitere Schärfung des eigenen Profils ausbitten. Sie wollen sich daher von einer „kalten Umarmung”, etwa durch die CDU, fernhalten.
Die AfD hat in ihrem Landtagswahlprogramm Positionen ausformuliert, die in zentralen Punkten quer zur zeitgeist-geschwängerten Altparteienprogrammatik stehen. Grundsätzlich ist die Politik die Kunst des Machbaren. Wenn ein erträglicher Kompromiß ausgehandelt werden könnte, würde ich ihm zustimmen. Meinen politischen Zielvorstellungen werde ich so oder so treu bleiben. Für mich ist die AfD die letzte evolutionäre Möglichkeit für unser Land.
Bisher wirkt es eher so, daß die AfD bei einer sich abzeichnenden Machtbeteiligung ihre konservativen Positionen über Bord wirft. Sehen Sie diese Gefahr bei einer möglichen Regierungsbeteiligung nicht?
Der programmatische Prozeß auf Bundesebene wird gerade erst begonnen. Wie viel Konservativismus unser Parteiprogramm letztlich transportiert, kann ich noch nicht abschätzen. Sicherlich gibt es einige, die sehr schnell ihren Frieden mit den Notwendigkeiten machen, besonders dann, wenn sie Mandats– oder Amtsträger werden. Wie schnell menschliche Größe dann degenerieren kann, ist wiederholt beschrieben worden.
Die Mehrheit der Mitglieder sieht meiner Einschätzung nach jedoch die Notwendigkeit grundsätzlicher Veränderungen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel sagte einmal: „Brandige Glieder können nicht mit Lavendelwasser geheilt werden. Der Verwesung nahes Leben kann nur durch das gewaltsamste Verfahren reorganisiert werden.” Wie Hegel sind wir keine Revolutionäre. Und „gewaltsam” bei Hegel kann in heutiger Diktion mit „grundsätzlich” übersetzt werden. Ich hoffe, daß unsere „grundsätzlich” ausgerichteten Mitglieder, diejenigen in Führungspositionen wählen werden, die trotz des gebotenen Pragmatismus nie ihre politischen Zielvorstellungen aus den Augen verlieren. Diese „Unbedingten” müssen uns erhalten bleiben.
Mit dem Landtagseinzug dürfte es so oder so sehr knapp werden. Mit welchen Inhalten wollen Sie die Thüringer noch überzeugen? Eurokritik allein genügt sicher nicht.
Die AfD hat zweifellos ihren Ursprung in der Kritik an der sogenannten Euro-Rettungspolitik, am EU-Zentralismus und an der überhandnehmenden Einwanderung in unsere Sozialsysteme. Es wird im Wahlkampf also auch darauf ankommen, den Menschen vor Augen zu führen, wie die Politik der Souveränitätsabgabe an Brüssel ihr Leben unfrei macht und eine irrationale EU-Ideologie ihr Vermögen bedroht.
Obwohl der Ausländeranteil in Thüringen noch im unteren einstelligen Prozentbereich liegt, spielt das Thema Einwanderung bei der Wahlentscheidung der Thüringer selbst bei Landtagswahlen eine große Rolle. Ich habe im Rahmen des Bundestags– und Europawahlkampfs hunderte Gespräche mit Bürgern geführt. Die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität war für viele meiner Gesprächspartner, neben wirtschaftlichen Sorgen, ein zentrales Thema. Darüber hinaus haben wir klar formulierte Alleinstellungsmerkmale im familien– und bildungspolitischen Bereich. Thüringen befindet sich mitten in einer demographischen Katastrophe.
Was meinen Sie konkret mit „demographischer Katastrophe”?
Unser Freistaat wird bis zum Jahr 2030 nochmals 400.000 Einwohner verloren haben, bei gleichzeitiger Vergreisung der restlichen Bevölkerung. Thüringen stirbt ‒ und wir sind die einzige Partei, die das in dieser Deutlichkeit ausspricht. Die sterbenden Orte mit ihren verwaisten Kinderspielplätzen und geschlossenen Kindergärten sowie Schulen zwingen mir unerträgliche Anblicke auf.
Um dieser fürchterlichen Entwicklung Einhalt zu gebieten, proklamieren wir im Gegensatz zu allen etablierten Parteien ein klares „Ja” zur klassischen Familie und zum Kind. Jeder weiteren Auflösung dieser Keimzelle unseres Volkes treten wir energisch entgegen. Dem Konzept des sogenannten Gender Mainstreaming, einem Sonntagskind der Dekadenz, das auf die Auflösung der natürlichen Geschlechterordnung abzielt, haben wir den Kampf angesagt.
Wie sieht es mit der Bildungspolitik in Thüringen aus?
Die Bildung ist in den letzten Jahrzehnten totreformiert worden. Jegliche Bildungsexperimente, die auf dem Rücken der Lehrer und Schüler ausgetragen werden, müssen unterbleiben. In diesem Bereich kämpfen wir ganz konkret um die Erhaltung unseres guten Förderschulsystems und des Schreibschriftlernens.
Ein weiteres großes Thema der AfD in Thüringen ist die vernunftwidrige Energiewende bzw. das sogenannte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Hochsubventionierte Energieproduzenten häufen Reichtümer auf Kosten der Bevölkerung an, die dafür mit immer weiter steigenden Strompreisen und einer verschandelten Landschaft bezahlen muß.
Daß wir in vielen Bereichen über wirkliche Alternativen verfügen, ist unbestritten, auch wenn wir in vielen Medien immer noch als „Ein-Themen-Partei” abgewertet werden. Die Frage wird sein, ob wir es in der Kürze der Zeit schaffen können, den Menschen unsere Zukunftsvisionen nahezubringen. Es sind nicht nur die etablierten Medien, die uns unsere Aufklärungsarbeit erschweren. Es sind auch die Menschen selbst. Eine beträchtliche Anzahl, so meine Beobachtung, hat mit dieser Parteiendemokratie vollständig abgeschlossen.
Herr Höcke, vielen Dank für das Gespräch!
Quelle:
http://www.blauenarzisse.de/index.php/gesichtet/item/4820-afd-als-identitaere-kraft
http://www.blauenarzisse.de/index.php/gesichtet/item/4824-afd-als-identitaere-kraft-ii