FRANKFURT am MAIN, 14. September. Es regnet, es nieselt, es ist kalt. Auf dem Frankfurter Römer sind zur Mittagszeit gegen 12.00 Uhr einige hundert Menschen versammelt. Es ist unschwer zu erkennen: Hier dominiert die Farbe Blau. Mitglieder und Förderer der Alternative für Deutschland aus allen möglichen Gegenden des wahlgebeutelten Deutschlands haben sich hier getroffen, um wenige Tage vor der Bundestagswahl noch einmal Flagge zu zeigen.
13.00 Uhr. Immer mehr Menschen zwängen sich auf dem historischen Platz, der ansonsten nach großen Fußballfesten “The Winner” tausende Menschen fasst. Mitten unter ihnen ein Großteil der Berliner AfD-Mannschaft um den Gründer der AfD, Prof. Lucke. Der kommt gegen Mittag mit einem Köfferchen und einem Rucksack, wird herzlich begrüßt. In der Menge werden Dr. Frauke Petry, Konrad Adam, Alexander Gauland ebenso herzlich begrüßt, der Regen hat nachgelassen. Gegen Mittag kommt Bewegung ins Spiel.
Dr. Frauke Petry wagt den Aufstieg auf die knallrote “Eurowehr”, ihr hübsches Gesicht wird manchmal von einer großen, blauen Flagge der AfD ab und an verdeckt. Die Glocken begrüßen die Menge, Frauke hält eine kurze Begrüßung. Unter dem Applaus der Menge sagt sie: “Wir müssen heute unsere Demokratie gegen unsere eigene Regierung verteidigen. Wir haben nicht 1989 eine friedliche Revolution gewagt, um heute feststellen zu müssen, daß wir wieder nicht mitreden dürfen. Die Deutschen gehen nicht so leicht auf die Straße, aber jetzt ist der Punkt gekommen, an dem wir zeigen, daß wir uns unsere Macht zurückholen.” Die Worte gehen im Applaus fast unter. Einige Anweisungen der Ordner folgen, die “Eurowehr” setzt sich in Bewegung. Kölner, Düsseldorfer, Thüringer – allein acht kommen aus dem Ilmkreis – Bayern, Hessen, …. es geht in Richtung Europäische Zentralbank. “Mut zur Wahrheit”, “Wir sind das Volk, “AfD” – immer wieder ertönen diese Rufe in der Bankenstadt Frankfurt, die auch das deutsche “Mainhatten” genannt wird.
Der Zug der Demonstranten ist fast unübersehbar geworden. Einige Hundert, Tausend? Die Schätzungen variieren. Fakt ist, es ist eine große Menge. Unter all den Leuten wird Prof. Lucke entdeckt. Ganz im blauen Poloshirt mit dem AfD-Logo. Ein Kamerateam hat ihn auch entdeckt. Mikrofone, Kamera, Fragen. Lucke läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Als der Zug vor der EZB ins Stocken und zum Halt kommt ist der ganze Platz voller Menschen, Fahnen, Transparente. Man schaut in glückliche Gesichter, in hoffnungsfrohe, in gelöste.
Konrad Adam hat die Eurowehr erstürmt. Immer wieder brandet Beifall auf, die am Rand Stehenden haben Mühe, ihn zu verstehen. Lautsprechermäßig. Was er sagt, sitzt. Offene Wort wie solche Sätze: “Hier sitzen die Leute, die Macht über uns haben. Sie entscheiden über unsere Köpfe hinweg, ohne daß wir sie gewählt hätten. Und die, die wir gewählt haben, haben diesen Leuten Rechte eingeräumt, die nur ihnen nie hätten einräumen dürfen. Sie nehmen durch die Eurorettungspolitik zwangsweise unsere Kinder in Haftung.” Das ist der Mut zur Wahrheit.
Bernd Lucke wird inzwischen regelrecht umlagert. Menschen jeden Alters, jung und älter geben ihm die Hand, drücken sie, Kameras klicken unaufhörlich, die Presse warten auf einen möglichen Affront – vergeblich. Die Menschen bedanken sich bei ihm, sprechen ihm Mut zu. Seit Wochen tourt er durchs Land – von einer Wahlveranstaltung zur nächsten. Sein Sohn, seine Frau und einige Angehörige sind ebenfalls nach Frankfurt gekommen. Zur Seite stehen, ihn unterstützen. Das ist es, woraus der taffe Mann aus Hamburg Kraft schöpft. Jeden Tag. An der Alten Wache gibt es den nächsten Halt.
Dr. Dr. Christian Gleißner vom Landesverband Hessen richtet sich an die AfD-Freunde. Sie ist Zahnärztin und bekennt: “Ich wollte eigentlich nie in die Politik”. Ehrlichkeit. Sie spricht weiter: “Man wirft uns vor, daß wir Eurokritiker oder Euroskeptiker sind. Das ist gut so. Denn Kritik und Skepsis sind die Waffen des mündigen Bürgers. Nur wer nicht mehr Kritik übt, läßt sich herum schubsen. Wagen wir es außerdem, uns der Gleichmacherei entgegenzustellen. Jedes Kind hat andere Fähigkeiten. Nur wenn wir den Mut haben, dies zu sehen, können wir auch jedes Kind anders fördern.” Und wieder skandiert die Menge ihre Slogans.
Der Zug gerät langsam wieder ins laufen. Flankiert von zahlreichen Polizeibeamten. Störungen gibt es keine. Alle achten auf Disziplin, die Augen der Polizisten sind freundlich unterwegs. Auf dem Römer angekommen wird es eng. Immer enger. Dicht an Dicht gedrängt. Umfallen ist schwierig. Später wird ein Polizeibeamter die Zahl von 2000 Teilnehmern vermelden. Offiziell schreibt die FAZ einen Tag später von 1000 Teilnehmern.
Alexander Gauland ergreift auf der Bühne das Wort, neben der ein großer Monitor alle Reden überträgt, die lediglich von “Lucki und Kanzlette” unterbrochen werden. Der AfD-Song “Wir geben nicht auf.. ,” trägt sein Schöpfer Ralf Maas persönlich vor. Mitsingen erlaubt. Gauland sagt: “Hier in Frankfurt, im Zentrum des alten Deutschlands, wurde erstmals der Versuch unternommen, das Volk an der Macht zu beteiligen. Damals ging es gegen die Fürstenwillkür. Heute gegen die Willkür einer politischen Klasse, die den Bürgern den Euro und den Brüsseler Einheitsstaat aufzwingen will, ohne das Volk zu befragen.” Beifall brandet auf, die Weckrufe hallen über den Römer. Der einstige Präsident der Slowakei und Vorsitzender der Partei “Freiheit und Solidarität” tritt auf. Dr. Richard Sulik wird empfangen. “Wir Slowaken sind ein armes Volk. Im Zuge der Eurorettung müssen wir für reiche spanische Privatbanken zahlen, weil unsere Politiker uns verraten haben. Wenn Deutschland vorangeht und die Eurorettung stoppt, dann werden wir auch nicht weiter für die Eurorettung bezahlen müssen. Deshalb setze ich diese AfD-Kappe auf, deshalb hoffe ich, daß die AfD in den Bundestag kommt!” Grenzenloser Applaus.
Der brandet erneut auf, als Bernd Lucke die Bühne betritt. Unter dem Beifall der Menge sagt er unter anderem: “In Frankfurt haben sich früher Könige von Fürsten wählen lassen; und in Frankfurt bildete sich die erste Nationalversammlung von Bürgern. In diesem Spannungsfeld von der Macht einiger Weniger und der Macht des Volkes stehen wir auch jetzt. Wir wehren uns dagegen, daß Parteiführungen den Kurs vorgeben, daß Politik alternativlos sein soll, daß Macht sich bei den Mächtigen konzentriert, daß Recht eiskalt gebrochen wird.” Es fängt zu regnen an.Schirme werden aufgeklappt. Rettung gegen oben. Fast sinnbildlich.
Langsam löst sich die Menschenmenge auf. Viele haben einen stundenlangen Heimweg. Auch wir alle aus dem Ilmkreis. Wenige Tage vor der Wahl haben auch wir wieder Mut und Hoffnung geschöpft. Wie aber wird die Wahl ausgehen? Am Abend des 22. September werden wir es wissen. Wir geben nicht auf. Wir bringen das Glück in die Heimat zurück. Treffender, hoffnungsvoller konnte es Ralf Maas nicht formulieren.
Den Medien ist dies alles kaum eine Nachricht wert. Weder ARD, ZDF noch die Privaten nahmen Notiz. Das Wort vom Totschweigen wird die Woche darauf die Runde machen. Es wird wenig nutzen. Das ist nicht die Art von Demokratie und Meinungsfreiheit, wie sich dies die AfD vorstellt. Auch von der gebotenen journalistischer Sorgfaltspflicht und der Pflicht ausgewogen zu berichten, spürt man wenig. Alltag seit Wochen vor der Wahl.
Hans-Joachim König