Immerhin, wir sind drin, im Landtag von Schleswig-Holstein. Unter den widrigen Umständen des Wahlkampfes (abgerissene und zerstörte AfD-Plakate in einer schwindelerregenden Größenordnung zum Beispiel) kann das Ergebnis gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zudem gilt der Norden als spezielles Pflaster. Jörg Nobis, der Spitzenkandidat der AfD Schleswig-Holstein, hatte also keine leichte Aufgabe vor sich. Er hat sie gemeistert.
Doch was ist mit den 32% für die CDU? Da gerät der geneigte Zuschauer schon ins Grübeln. Die etwas über 27% für die SPD geben ebenfalls keinen Anlass zur Jubelfreude bei Patrioten. Nicht die Prozente für Grüne oder für die, nur dem Namen nach, Liberalen. Zugegeben, auch innerhalb der „Sozialdemokraten“ gab es keine Euphorie, die hatten nämlich auf einen fulminanten Erfolg gehofft und erlebten ein Debakel. Und mal ehrlich, das entgleiste Gesicht von Ralf Stegner, seines Zeichens SPD-Landesvorsitzender, Sozen-Charmebolzen und auserkorener Sympathieträger seiner Partei, hat ein wenig darüber hinweg getröstet, dass die Mehrheit der Wähler ein darbendes Weiter-So dem dringend nötigen Wandel vorzogen. Jedenfalls ein bisschen und für einen kurzen Moment. Tatsache ist: Die bisherige Landesregierung wurde zwar abgewählt, jedoch nur um die einst siegreichen Sozialdemokraten gegen die nun siegenden „Konservativen“ der Marke Merkel-CDU einzutauschen, also gegen den nahezu gleichen „Inhalt“ nur mit einem anderen Anstrich.
Alles in bester Ordnung im Norden, kein Kopfschütteln darüber, wie leichtfertig die Altpolitik das Grundgesetz missachtet, Kriminalität importiert oder die Gesundheitsfonds anzapft? Erstaunlich!
Grund genug, nach möglichen Motiven der Wahlentscheidungen zu suchen. Oder sich Gedanken über den Wahlausgang zu machen. Wenn auch nur für die eigene kleine Analyse des Geschehens.
Zwei Sprichwörter fallen mir da spontan ein. Eines besagt, dass wichtige Veränderungen nur durch einen gewissen Leidensdruck entstehen, da der Mensch, Gewohnheitstier das er ist, das Bestehende präferiert, so lange es vermeintlich mehr Vorteile als Nachteile bewirkt. Das andere meint: Luftschlösser lassen sich leicht aufbauen, aber schwer einreißen. Nun besteht in Deutschland nicht erst seit 2017 ein enger Zusammenhang zwischen der allzu menschlichen Suche nach Gewohnheit und der allzu weltfremden Sucht nach Illusion. Denn die Realität zu interpretieren als habe sie sich der politischen Korrektheit anzupassen ist hierzulande zur miefigen, piefigen Staatsdoktrin geworden mit bester Aussicht auf Zwangsvollstreckung. Dem Bürger wird rund um die Uhr und aus fast allen Kanälen eingetrichtert, an den Heiligen Gral linksgrüner Manie zu glauben, soll heißen an eine seligmachende und bunte Multikulturalisierung, welche die Renten sichert, das Demografieproblem löst und nicht zuletzt das Einkommen der Soziallobbyisten rettet. An eine Art eierlegende Wollmilchsau, die als deutscher Exportschlager die Welt erobert oder zumindest zeigt, wie toll doch die deutsche Elite wäre. Der Realität zum Trotz und dem Verstand zum Spott. An einen international leistungsfähigen Wirtschaftsort per Stromerzeugung durch Vogelschredderanlagen, die sich Windräder nennen, soll festgehalten werden. Daran, wie ethisch wertvoll die Zerstörung der Zukunft für Kinder und Enkel sei und wie moralisch geboten Asyl für Taliban doch ist. Oder dass Bildung bedeuten würde, an allem Deutschland die Schuld zu geben. Er, der Bürger, hat oben für unten zu halten und umgekehrt. Gehirnwäsche für den artig steuerzahlenden und brav wählenden Deutschen, sonst würde er wohl nicht mehr fleißig für die Verschwendung seiner Steuern schuften und nicht mehr untertänig Altparteien wählen. Etliche Menschen lassen sich auf diese Weise „überzeugen“, weil es sich schön anhört, aus Bequemlichkeit, aus Angst, aus Apathie oder Ignoranz oder aufgrund einer nibelungentreuen Erkenntnisresistenz. Oder weil es die Tagesschau sagt. Was dann heißt: Kreuzlein für die CDU, Kreuzlein für die SPD, Kreuzlein für die FDP, für die Grünen und die Pseudolinken. Das Ergebnis: Lernen durch Leiden im Nachhinein. Soll keiner sagen, er habe von nichts gewusst.
Wo die Wirklichkeit und ihre Wahrnehmung derart ausgeblendet werden, folgt der Homo sapiens sapiens (sic!) dem Lustprinzip: Wählen für die gute Stimmung, nach Wunschkonzert und schließlich lächelt Merkel immer nett. Das sind schon drei gute Dinge auf einmal, das kann nicht schlecht sein, hat bisher funktioniert, auch wenn die Bundeskriminalstatistik etwas anderes meint. Die Hauptsache ist, es spricht die gutmenschliche Komfortzone an: Wir meinen es doch gut und fühlen uns dadurch besser. Wie ein Kauf nicht um des Produktes willen, sondern weil die Werbestrategie darauf ausgelegt ist, den Konsumenten beim Kaufakt ein gutes Gefühl zu vermitteln. Wieso sollte es unwahrscheinlich sein, dass das Wählen mittlerweile ähnlichen Mechanismen gehorcht wie das Kaufen nach Werbespots? Raider heißt Twix, die Grünen sind Öko, die FDP ist Magenta. „Wir sind nicht Burka!“
Dann sind da noch die, die schon immer etwa SPD gewählt haben und es dann noch tun, wenn Martin Schulz mit Erdogan und einer Horde IS-Söldner durch das nächtliche Brüssel zieht. Die Unerschütterlichen, würde der Slogan lauten, werbemännische Diplomatie eben.
Vielleicht wollen viele im Norden einfach ihre Ruhe haben. Auch das ist befriedigend und irgendwie nachvollziehbar, wenngleich auf Dauer gesehen etwas verantwortungslos. Wer käme da besseres als Wahloption infrage als eine CDU, deren Vorsitzende das gelebte Nichts ist, die nur dann auftaucht, wenn das Feuer schon außer Kontrolle ist, um den Löschmannschaften zuzusäuseln „Ihr schafft das schon“ und wieder verschwindet. Überhaupt war Merkel auffallend abwesend in diesem Landtagswahlkampf. Vermutlich hat es inzwischen selbst einigen Merkelgetreuen, freilich außer ihrem Kanzleramtslakaien, gedämmert, dass die Chefin zunehmend zum Störfaktor wird. (Lieber nicht mit Angela, gibt sonst unschöne Szenen von buhenden Bürgern und kritisch pfeifenden Kommunalpolitikern.) Dazu passt eine Umfrage der Öffentlich-Rechtlichen zur Wahl in Schleswig-Holstein, in der die Mehrheit der befragten CDU-Wähler angab, die Kanzlerin könne am besten einen ruhigen Platz in einer stürmischer werdenden Welt garantieren. Na bitte. Im Auge eines Wirbelsturms soll es ja auch windstill sein. Im Zentrum des Sturms sieht man die Schneise der Verwüstung nicht. Und während die Ausläufer des Hurrikans schon im europäischen Ausland Schäden anrichten, wird der deutsche Wähler noch mit geschönten Statistiken und einem Schulz-Zug bei Laune gehalten. Auf dass er sein Stimmlein im Lustrausch an die „Guten“ vergibt. Falsches Glück ganze fünf Minuten lang und für umsonst. „Wählen Sie Altparteien, dann bekommen Sie Rekordverschuldung, zig Krisen, Kriminalitätsanstieg und leere Sozialkassen dazu und obendrauf noch ein Messerset!“ Vielen Dank, gekauft.
Kommentar von Nadine Hoffmann