Vor dem Karlsruher CDU-Parteitag gab es vielerorts die Erwartung, dass Angela Merkel dort auf deutliche Kritik an ihrem gegenwärtigen Regierungskurs, insbesondere an der von ihr betriebenen Flüchtlingspolitik stoßen würde. Doch die von manchen gefürchtete und von anderen erhoffte große Abrechnung blieb aus. Die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin konnte ihre Partei hinter sich und auf Linie bringen. Selbst der Chef der bayrischen Schwesterpartei CSU, der Merkel auf dem CSU-Parteitag wenige Tage zuvor gedemütigt hatte, war nun ungeachtet bestehender inhaltlicher Differenzen voll des Lobes für die Kanzlerin und ihre Politik. Die Kritiker des Merkelschen Regierungskurses, die es ja gibt und die sich auch − wie etwa Wolfgang Bosbach − öffentlich äußern, sie wagten sich in Karlsruhe nicht aus der Deckung, sondern stimmten in den Jubel und den zehnminütigen Applaus ein, von dem alle Medien begeistert berichteten. So auch etwa die Internetausgabe des „Spiegel“, der sich kaum noch zügeln konnte vor Lobeshymnen auf die Kanzlerin und daher auch überschwänglich vom „Triumph für Angela Merkel“ sprach.

Vor so viel Freudentaumel fragt kaum einer mehr nach, in welchem Zustand sich eine Partei befinden muss, in der solches möglich ist. Und in welchem Zustand unsere Parteiendemokratie ist, die eine solche Partei bejubelt. Gewiss geht es bei einem Parteitag darum, Geschlossenheit zu demonstrieren. Aber was ist davon zu halten, wenn wochenlang von Anhängern und Mitgliedern der Union landauf landab zu hören ist, „die Basis“ stehe dem flüchtlingspolitischen Kurs Merkels mindestens skeptisch, meist aber ablehnend gegenüber, wenn der Bundesparteitag einer solchen Partei dann aber zum Leitantrag, der den Merkelkurs stützt und weiterführt, keinen einzigen Änderungsantrag präsentiert und dann bei zwei Gegenstimmen ein Herz und eine Seele suggeriert?

Ist das nur das bekannte Phänomen, dass Parteitagsdelegierte eben Apparatschiks sind und keineswegs „die Basis“ repräsentieren? Ist es das Phänomen, dass die führende Regierungspartei Einigkeit zeigen muss? All das ist sicher zuzugeben, aber es erklärt ja nicht, dass es keine Änderungsanträge, keine ernsthafte Diskussion in der Sache gab, denn das gibt es ja auf anderen (Alt-)Parteitagen, selbst bei der CDU. Und das, obwohl die Union traditionell wiederholt als Kanzlerwahlverein angesehen wurde. Jetzt aber scheint dieses Phänomen eine neue Qualität erreicht zu haben. Es ist die völlige Eindimensionalität einer Partei, der nichts mehr einfällt als das Nachlaufen hinter der langjährigen Erfolgsgarantin, wohin immer diese ihre Truppe – und damit das ganze Land – nun auch führt.

Kernkraftausstieg, Mindestlohn, Abschaffung der Wehrpflicht, Beseitigung des traditionellen Familienbildes, Multikulturalismus – die Union macht alles mit, solange sie dadurch an der Macht bleibt. Dass eine Union, die nicht an der Macht ist, auch der Inhalte beraubt ist, erleben wir gerade in Thüringen. Der hiesigen CDU, die nach einem Vierteljahrhundert seit einem Jahr bereits nicht mehr den Ministerpräsidenten stellt, gelingt das Kunststück, zur Haushaltsdebatte des Landtages keinen einzigen eigenen Änderungsantrag einzubringen. Das ist der bockige Verzicht auf Politik durch eine Partei, für welche die Oppositionsrolle ein Scheckensszenario ist, welches es um fast jede Preis zu verhindern gilt.

Das aber bedeutet: Der Koloss CDU ist hohl und steht auf tönernen Füßen. Auf dem Bundesparteitag hat die CDU das zu überdecken versucht, indem sie dem Vorstandsantrag mit über 99,5 Prozent zustimmte. Solche Ergebnisse in politisch und innerparteilich umstrittenen Fragen erinnern doch sehr an Abstimmungsergebnisse auf SED-Parteitagen in der DDR. Und wer sich an diesen stalinistischen Stil zurückerinnert, den muss der Verdacht beschleichen, dass es um die Parteiendemokratie heute nicht besonders gut bestellt sein kann. Wo ist in der CDU die öffentliche Diskussion, wo der Pluralismus, wo der Meinungsstreit, die doch die besten Ergebnisse zeitigen sollen? In der CDU findet das allenfalls verdeckt und halböffentlich statt und das beste Ergebnis – das wird von Angela Merkel festgelegt – selbstverständlich „demokratisch“!

Nach meiner Auffassung spricht all das nicht für einen gesunden Zustand unserer Parteiendemokratie und die AfD ist angetreten hieran etwas zu ändern. Wir können diesbezüglich bereits auf so manchen Erfolg zurückblicken. Auf unseren Parteitagen gibt es lebendige Debatten, und da geschieht es sogar, dass Anträge des Vorstandes zugunsten von alternativen Anträgen abgelehnt werden.

Stefan Möller
Landessprecher AfD Thüringen