Die Propagandakampagne gegen Ihre Partei geht nun in die zweite Runde, und sie müssen sich darauf einstellen. Man bringt Ihre Partei, wie berechtigt auch immer, in Beziehung zum Rechtspopulismus oder gar anderen politischen Kräften, in denen man hierzulande den Gottseibeiuns wittert. Dass solche Fremdetikettierung weniger informieren als polemisieren will, brauche ich Ihnen nicht zu erläutern. Doch schadet es nichts, sich auch mit ihr zu beschäftigen.

Unter „Populismus“ versteht der Duden eine von Opportunismus geprägte volksnahe, oft demagogische Politik mit dem Ziel, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen. Weitere Begriffsbestimmungen betonen die Instrumentalisierung von Unzufriedenheit, Ressentiments, Ängsten und Hoffnungen durch Ausbeutung von Gefühlen und allzu einfache, unrealistisch-populäre Lösungsversprechen.

Akzeptieren wir mal solche Negativdefinition. Wie kommt es nun aber, dass mir dabei sofort die aktuellen Koalitionsbeschlüsse einfallen, als grandiose Wunschtüte für jedermann, ohne auch nur eines der Grundsatzprobleme anzugehen? Darüber hinaus etliche Gegenwartsregierungen z.B. in Europa, exemplarisch Staatspräsident Hollande, der Frankreich nun gerade nicht auf notwendige Umstrukturierungen einschwört, sondern auf weiteres Schuldenmachen zum Nachteil von künftigen Generationen bzw. Rentnern. Und wenn Populismus durch einfache, populär-unrealistische Lösungen charakterisiert ist, wie herrlich simpel haben sich da unsere Grünen ihr Energiekonzept ersonnen, dessen einziger Nachteil darin besteht, dass es, wie vorhergesagt, nicht funktioniert.

Und wo sitzen die im negativen Sinn eigentlichen Populisten, die in Shows und Sportspektakeln „Brot und Spiele“ zur einzig erkennbaren Staatsraison werden lassen? Die den Gottschalks, Löws oder Beckenbauers fotogen in die Arme sinken oder – wie unsere teure Kanzlerin – die schweißtriefenden halbnackten Bundeskicker Özil oder Schweinsteiger gar noch in die Kabine verfolgen, wenn ein medienträchtiger Schnappschuss winkt? Die als schäbige Stimmvieh-Eintreiber bereits 16-jährige zu den Wahlurnen lotsen?

Einschlägig auch die Art, wie per Talkshow eine Riege von Berufspolitikern in volksanbiedernder Biertischmanier mit Parteichef Lucke umsprang. Weil der geballte ökonomische Sachverstand der AfD den anderer Parteien deutlich übersteigt, übte man sich unisono in spöttischen Anti-Akademismen, während sonst die Alltagsvernunft von Regierungsskeptikern stets mit hochtrabendem Gutachter-Fachchinesisch bekämpft wird. In peinlicher Penetranz und bewusstem Kalkül wurde der nun ironisch stets als der „Herr Professor“ betitelt, um ihn als blutleeren Theoretiker abzustempeln. Ähnliches hatte früher schon Kanzler Schröder gegen Kirchhofs vereinfachtes Steuermodell erfolgreich erprobt, und die demoskopisch hellhörige Merkel war umgehend eingeknickt. All dies war Populismus pur, von der üblen Sorte sogar.

Und noch eins: Dramatisieren kann man die heutige Lage wohl kaum, in der sich eine demographische, kulturelle, Finanz- bzw. Schulden-Katastrophe in Verbund mit einer ethnischen Integrations- und nationalen Identitätskrise langsam zu einem Problem-Tsunami aufschaukelt, die noch einige soziale Verheerungen anrichten wird.

Nun lässt sich der Begriff Populismus jedoch auch positiv verstehen, ausgehend von „populus“, d.h. Volk, im Gegensatz zu „plebs“ (dem Prekariat). Und vielleicht sollten sich unsere Muster-„Demokraten“ einmal darauf besinnen, dass auch dieses Wort auf Volks-Herrschaft zielt und nicht nur die einer Funktionselite. Demgemäß beschrieb der Sozialwissenschaftler Thomas Meyer „Populismus“ nicht nur als dubiosen Stimmenfang, sondern auch als „soziale Protestbewegung gegen entfremdete Herrschaft“. Und da kommen wir den gegenwärtigen Verhältnissen schon näher, wenn es darum geht, eine in Berlin oder Brüssel völlig abgehobene Politikerkaste endlich mal wieder zu erden und ihren (in phantastischen Gipfeln von Führungsetagen gewonnenen) Realitätsvorstellungen einige handfeste Details hinzuzufügen. Ich denke daran, wenn etwa EU-Kommissarin Viviane Reding den Alarm deutscher Städte in Sachen Migrationsfolgen mit der nicht mehr zu karikierenden Replik versieht, eine Armutswanderung sei empirisch nicht nachgewiesen. Gegen solche Politverkalkung ist Populismus eine wahre Frischzellenkur.

Damit zur Schreckvokabel „rechts“, die man gern als Präfix dem Populismus hinzufügt, um ihn zu stigmatisieren. Linkspopulisten gibt es übrigens nicht als Gefahr. Die sitzen in allen Parlamenten und wurden soeben von der SPD als honorige Koalitionspartner geadelt. Nun geht es bei dieser – Panikreflexe auslösenden – Bezeichnung „rechts“ im Kern natürlich nicht um neonazistische Umtriebe und dergleichen, sondern häufig um Einstellungen eines durch denunziatorischen Dauerbeschuss zum Schweigen gebrachten Großteils der Bevölkerung. Schließlich ist die Annahme, dass das Meinungsspektrum eines intakten parlamentarischen Systems einen Millimeter rechts von Frau Merkel zu Ende sein müsse, so absurd wie die Karikatur des Bundesadlers mit nur einem Flügel.

Und wenn „rechts sein“ konkret bedeutet,

– ein Europa der Vaterländer der Brüsseler Technokratie vorzuziehen, einschließlich ihrer weitgehend anonymen, in einer Parallelwelt zur Bevölkerung lebenden Führungsschicht,

– eine konzeptionslose Einwanderungspolitik auch so zu nennen, wie es Sarrazin und Buschkowsky tun, und sich die enormen Integrationsprobleme nicht schönredend wegdisputieren zu lassen,

– die schon seit Jahrzehnten einschneidenden Konsequenzen der demographischen Entwicklung in Deutschland erkannt und von daher die familienfeindlichen Tendenzen mit großem Unbehagen verfolgt zu haben,

(Ein besonders phantasiereicher Grünen-Sprecher zog jüngst rhetorisch aus der Verkehrung der Bevölkerungspyramide noch seine „demographische Rendite“.)

– keine Neigung zu verspüren, die seit langem gängige Volksverschuldung von angeblich verantwortlichen Politikern als Kavaliersdelikt zu bezeichnen, sondern als Seuche,

– die Auffassung zu vertreten, dass der Belastbarkeit unseres sozialen Netzes Grenzen gesetzt sind, die national wie international zu beachten sind, und eine quantitativ inakzeptable Schicht an Leistungsempfängern samt üppig ins Kraut schießende Sozialindustrie und Gesinnungsbürokratie als bedrohliche Zukunftshypothek zu begreifen,

– zu widersprechen, wenn vermeintliche „soziale Kälte“ dadurch bekämpft wird, dass man schlicht der nächsten Generation die Schulden aufbürdet oder die im Ruhestand Befindlichen per (schleichender) Inflation um das Ihrige bringt,

– sich darüber zu empören, dass in der Öffentlichkeit vielerorts das Gefühl für Meinungsfreiheit verschwunden ist, welche in einzig sinnvoller Definition stets auch die Andersdenkender sein muss, und sich ein „Totalitarismus der Toleranz“ (Klonovsky) etabliert hat,

– sich aus einer fremdbestimmten Haltung zur eigenen Geschichte zu lösen und Historiografie wieder einmal jenseits von aktuellen geschichtspolitischen Opportunitäten zu gestatten,

– unser einst weltweit führendes Schul- und Hochschulsystem, das per Dauerreform international nivelliert, d.h. niveaumäßig ruiniert wurde, als solches zu erkennen,

(Jeder fünfte Fünfzehnjährige in Deutschland gilt als funktionaler Analphabet, aber Bildungseuphoriker delektieren sich an nichtssagenden, willfährig ermöglichten Abiturienten-, Bachelor- oder Inklusions-Ziffern.)

– an gewachsenen Bindungen wie Familie, Heimat, Nation festzuhalten,

– einer per Quotenregelung exekutierten Gleichheitsideologie, die konkrete Lebenschancen gefährdet, zu widerraten,

– sich ökologischen wie klimatologischen, gendermanipulativen oder geschichtspolitischen Dogmen auch mal zu widersetzen,

kurz: wenn Rechts-Sein vor allem bedeutet, dem modernistischen Zeitgeist zu widerstehen und klassische konservative Tugenden zu pflegen,

dann, meine Damen und Herren, sollte man entsprechende Vorwürfe gelassener quittieren und sie als Symptome der Hilflosigkeit von Denkfaulen erkennen, denen die Argumente ausgingen.

Die AfD hat prächtig begonnen: mehr als Bewegung denn als (nur bestimmte Gesellschaftsschichten bedienende) Klientelpartei. In wenigen Monaten, geradezu aus dem Nichts kommend, wäre ihr fast der Einzug in den Bundestag geglückt. Dass es nur 4,7 % wurden, mag zunächst enttäuschen, ist aber dennoch ein beachtliches Ergebnis gegenüber einer weitgehend feindlichen Medienfront, die (inkl. der Demoskopie) alle Register zog, diesen Erfolg zu verhindern. Durch die parlamentarische Atempause können Sie jetzt wirklich Profil gewinnen. Wenn Sie Rückgrat zeigen, stehen mittelfristig die Chancen gut, politisch in Deutschland mitzureden. Das Stimmenreservoir vor allem aus Kreisen der Nichtwähler ist riesig.

Schon Ihr Parteiname ist ein Volltreffer. Das Geniale der Formulierung liegt in seinem breiten Assoziationsfeld und dem gewaltigen Versprechen in dreierlei Hinsicht:

1. einem befreienden Ausbruch aus dem nur scheinbar alternativlosen Nachvollzug fremdgesteuerter Vorgaben,

2. darin, dass Politik wieder für ein Land konzipiert wird, und sich nicht einfach eine Funktionselite ihrer jeweiligen Bevölkerung bedient,

und 3. dass es um deutsche Belange geht, erkennbar bereits am Kürzel „D“, was von allen etablierten Parteien sonst nur noch die SPD für nötig hielt.

Ich sehe, jetzt wo es programmatisch konkret wird, nur eine Gefahr. Nicht darin, dass es eine gewisse Bandbreite an Auffassungen und wohl auch verschiedene Flügel gibt. Parteien mit nur einer Meinung sind leblos oder bloße Wahlvereine. In ihrem Kampf gegen das Berliner wie Brüsseler Beschweigungs- und Beschwichtigungskartell sollten Sie ohnehin kein Alleinvertretungsrecht einer noch zu kreierenden reinen AfD-Lehre anstreben. Der Zuzug aus oder eine Allianz mit diversen tatsächlich konservativen, liberalen oder sozialpatriotischen Kräften diente gewiss der gemeinsamen Sache.

Bedenklicher schiene mir hingegen, eine gewisse Spannung künstlich zu unterbinden, weil Sie sich vom Mainstream eine Abgrenzungsdiskussion aufdrängen lassen. Man muss (zumal als umkämpfte Partei) gewiss nicht auf jeder ideologischen Hochzeit mittanzen, wenn einem das Publikum dort missfällt. Auch geht es nicht um Radauradikalismus oder Schrilles. Doch genügt es, positiv zu sagen, wofür man steht, statt sich von Denkverboten und Berührungsängsten her zu definieren. Überlassen Sie also das Ausgrenzen jenen Pharisäern, für die Unberührbares auf der Linken bezeichnenderweise nicht existiert, von den Baader-Meinhoff-Terroristen bis zu Markus Wolf e tutti quanti, denen die Talk-Shows nur zu oft offen standen!

Wenn Sie hingegen in Sorge um eigene Stigmatisierung immer engere rote Linien ziehen, geraten Sie in einen Teufelskreis. Denn die Ansprüche des politischen Gegners gehen immer weiter, bis Sie so viele Konzessionen, Kompromisse, diplomatische Sprachregelungen akzeptieren, dass man am Ende nicht mal mehr ahnt, wofür Sie eigentlich stehen. Der dynamische Kern Ihrer Wähler will aber keine unanstößigen, bis zur Unkenntlichkeit verklausulierten Worthülsen, sondern Klartext, wie seit Jahrzehnten hierzulande vermisst. Und jenseits von monetären Verlustängsten imponierte ihm Ihre Verheißung, in Deutschland den Maulkorb zumindest zu lockern.

Neulich schrieb mir Dieter Stein, es sei wichtig, dem Meinungsghetto zu entkommen und von daher eine Selbstradikalisierung unseres Milieus zu vermeiden. Sofort einverstanden. Nur, ist es wirklich in nennenswertem Maße ein In-group-Problem? Wohl kaum. Denn nicht Sie entscheiden durch Unanfechtbarkeit über die verhängte politische Quarantäne, es sei denn per Selbstkastration. Ghettoisierung hingegen liegt zu sehr im Kalkül der herrschenden Politklasse, als dass sie freiwillig darauf verzichtete, weil man sonst von ihr tatsächliche Lösungen verlangte, wozu sie außerstande ist. Wie viel einfacher fällt es da, in Moral zu machen und andere zu verdächtigen.

Auch ist man schon seit Jahrzehnten daran gewöhnt, nicht mehr tatsächlich zu argumentieren, sondern lieber moralisch bzw. juristisch zu inkriminieren. Wer geistig Fett angesetzt hat, scheut sich, auf subtilere Überzeugungsinstrumente zurückzugreifen. Ich frage mich daher, ob Sie dergleichen falsche Spielchen mitmachen sollten, die nicht die Ihren sind und bei denen Sie nur verlieren können. Und bei den immer rigideren Distanzierungen, welche die interessierten Funktionseliten nahelegen, müssten Sie sich immer weiter von dem entfernen, was Ihr Parteiname verspricht: Alternative für Deutschland zu sein. Absolution erteilt der Mainstream schließlich erst dem, der gänzlich in ihm aufgeht und damit eigentlich überflüssig wird.

Penible Abgrenzung verspräche vielleicht Erfolg, wenn es in der Politik im Kern je um einen Wettbewerb der besten Ideen und Konzeptionen ginge, um Argumentation, Rationalität, Aufklärung. Doch das tat es noch nie oder höchst selten. Stattdessen geht es in erster Linie um Macht, und gegenwärtig konkret um das Fernhalten einer äußerst lästigen Konkurrenz vom Meinungsmarkt. Und da besteht die wirkliche Provokation, mit der die AfD alle Etablierten aufgeschreckt hat, ja nun gewiss nicht darin, dass sie irgendwo rechts im Trüben fischte und – wie Hysteriker halluzinieren – etwa Rudolf-Heß-Gedenktage einführen wollte. Vielmehr darin, dass sie auf eine große Lebenslüge der Berliner Republik hinwies.

Wenn die Friedman & Co. Bernd Lucke in den Talkshows immer wieder die gleichen Extremismus-Fragen stellten, mit der primitiven Einfallslosigkeit von Sexbesessenen, die in jedem Strich oder Kringel auf weißem Papier Geschlechtsorgane entschlüsseln, trieb sie im Kern doch mitnichten die Sorge um die Integrität einer neuen Partei. Vielmehr reizte sie deren Aufkündigung einer bisher reibungslosen Politkungelei der „Blockparteien“ in einem Komplex von nationaler Bedeutung. Insofern ist der diffamierende Klammergriff öffentlicher Moral, den man der AfD angedeihen ließ und lässt, wohlverdient und vorläufig alternativlos. Sie haben ihn sich durch Leistung erarbeitet.

Unter solchen atmosphärischen Voraussetzungen hilft das ständige Betonen, man sei politisch koscher, kaum. Zwar beruhigt es ein paar Hasenfüße, deren Sorge mehr ihrem bürgerlichen Ruf als dem Wunsch nach Besserung gilt.

Aber wenn Sie nicht auf halber Strecke umkehren wollen, sollten Sie sich eingestehen, dass mit fairen Bedingungen an der Meinungsbörse vorläufig ohnehin nicht zu rechnen ist und Sie bei den Medien momentan nicht viel zu verlieren haben.

Erst Erfolg macht Sie für Journalisten wirklich sexy. Denn dann kämen Sie zumindest für einige als neuer Brötchengeber infrage. Das kommt manchmal völlig überraschend wie beim Sensationserfolg von Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“, als die Meinungsgewaltigen wie aufgescheuchte Hühner herumflatterten und so manche ihre Ansichten aus Furcht vor Popularitätsverlust fast ins Gegenteil verkehrten. Und wie war das mit Birgit Kelle, die aufgrund des gewaltigen Internet-Votums mittlerweile sogar von der Mainstream-Journaille hofiert wird? Das kann also schnell gehen, da die zugrundeliegenden Überzeugungen eher andressiert als fundiert sind.

Eine massive Aufgeschlossenheit für alternative Politik in allen Kreisen der Gesellschaft erfolgt spätestens dann, wenn die Auswirkungen der zu erwartenden großen Krise auch für diejenigen Bundesbürger hautnah spürbar werden, die sich jetzt durch den schönen Schein blendender Konjunktur vor der Wahrheit gedrückt haben. Melanie Mühl hat am 5.12.13 in der FAZ bereits eine Vorahnung des Schreckens vermittelt, der viele treffen dürfte, wenn sie sich ihrer mangelnden Altersvorsorge bewusst werden („Dann stehe ich schlecht da“). Momentan wird alles ja noch durch den Vergleich mit den Süd- oder Osteuropäern als rosig betrachtet und der Umsicht deutscher Politiker(innen) gutgeschrieben – ein Verhalten wie das eines Mastschweins, das zu Sylvester fällig ist und noch am 30. Dezember angesichts doppelter Portion vor Vergnügen quiekt.

Was dann kommt, wird auch innenpolitisch extrem ungemütlich. Und die jetzt sich vor dem angeblichen Radikalismus der AfD graulen, der in Wirklichkeit nur ein Mehr an Realismus darstellt, werden dann vielleicht bereuen, dass die rasende Fahrt gegen eine Betonmauer nicht schon früher wenigstens abgebremst wurde. Man soll ja nicht unken. Aber vielleicht ist die AfD respektive das von ihr zu schaffende bessere Umfeld für tatsächliche Problemlösungen die vielleicht letzte evolutionäre Chance, die Dinge in Deutschland zu lindern.

Wenn die Verhältnisse so richtig zum Tanzen gekommen sind, brauchen wir uns übrigens über „geläuterte“ Journalisten keine Gedanken mehr zu machen. Sie werden sich „rechtzeitig“ umstellen. Einstweilen aber müssen Sie noch mit pauschaler Besudelung rechnen nach der Devise, „semper aliquid haeret“, d.h., stets bleibt etwas hängen, auch bei unberechtigten Verdächtigungen.

Oder es gilt: „Qui s’excuse s’accuse.“ (Wer sich verteidigt, klagt sich an.)

Was ist in dieser Lage zu tun? Mir scheint es verfehlt, sich wegzuducken und ständig zu dementieren oder sich zu distanzieren. Die Dauerangst, das darfst Du nicht sagen und das nicht vertreten, führt ohnehin zu einem völlig verqueren, zumindest halbparanoischen Denken, das unsere öffentlichen Diskussionen zunehmend degenerieren lässt und uns vom bloßen Gegenteil her manipuliert. Fragt schließlich kaum noch einer, ob eine schlichte Feststellung richtig oder falsch ist, sondern vornehmlich, ob etwas gesagt werden darf, oder welche Konsequenzen dies haben mag.

Stellen Sie diese fremdgesteuerte, bloß defensive Bemühung ein, und drehen Sie den Spieß einfach um in Richtung auf die denunzierenden Sittenwächter!

Machen Sie deren Praktiken und Mentalitäten zum Thema und generell die perverse Art des politischen Streitens in der Bundesrepublik!

Berücksichtigen Sie dies in Ihrem Parteiprogramm, und sehen Sie darin nicht nur einen Punkt unter vielen, sondern ein Schlüsselanliegen, das alle anderen befördern wird!

Die meisten von Ihnen haben gewiss einschlägige – zuweilen sogar handgreifliche – Erfahrungen im Wahlkampf gesammelt und Bedingungen in Göttingen oder anderswo vorgefunden, als lebten wir in einer Bananenrepublik. Solche unfreiwillig erworbene Fachkompetenz ist wertvolles Lehrgeld und hat hoffentlich auch seine emotionalen Spuren im Bewusstsein Ihrer Partei hinterlassen. Das hierbei gewonnene Anschauungsmaterial verbürgt hinreichende Authentizität.

Auch Ihre schnöde Behandlung in Interviews, Talkshows und der Mainstream-Presse dürfte Sie für diese Problematik aufgeschlossen haben. Thematisieren Sie also jene Unverfrorenheit, mit der nicht ergebnisoffen oder ausgewogen informiert wird, sondern man bestimmten vorgefertigten Weltbildern zum Durchbruch verhilft!

Entlarven Sie jene ständig praktizierte Doppelmoral von Extremismus-Sensibelchen, die auf dem anderen Auge stockblind sind! Demonstrieren Sie an konkreten Beispielen die mediale Parteilichkeit unseres Staatsfunks, der zudem noch überversorgt ist durch eine Quasi-Steuer, die groteskerweise selbst Blinde oder Taube zahlen!

Verdeutlichen Sie seine alles dominierende Besetzung mit links-grünen Sympathisanten, die fast auf einen Boykott objektiver Berichterstattung und eine systematische Unterdrückung inopportuner Nachrichten hinausläuft!

Kennzeichnen Sie, für die Öffentlichkeit vernehmbar, die Leichtfertigkeit, mit der die Möchtegern-Inquisitoren der Öffentlich-Rechtlichen andere skandalisie­ren, als eigentlichen Skandal!

So hat ja jüngst Bernd Lucke selbst durch Verwendung des Begriffs „entartet“ den erwartbaren Medienhype von Berufsheuchlern ausgelöst. Dabei war weder das Wort selbst noch der geschilderte Tatbestand besonders kritik- oder affären-würdig, sondern eher naheliegend bzw. „empirisch unwiderlegbar“, wie Thorsten Hinz in der JF feststellte. Aber just deshalb wurde er in NS-Nähe gerückt. Ich zitiere vom 11.10.13:

„So bald eine Diskussion geeignet ist, die Grundzüge der praktizierten Politik in Frage zu stellen […], wird sie vom sachpolitischen Haupt- auf ein sprachideologisches Nebengleis gesetzt und in Extremismus- und Nazinähe verfrachtet. […] Das System basiert auf einem simplen Gut-Böse-Schema. Wer Euro-, EU-Kritik und Islamkritik übt, wer die ungesteuerte Zuwanderung, die Ausländerkriminalität und die finanzielle Erpressung durch den Staat thematisiert, wird als deutschtümelnd, europa- und ausländerfeindlich, islamophob, rechts und populistisch diskreditiert und lächerlich gemacht. Umgekehrt wird die aktuelle Politik mit positiven Begriffen wie Vielfalt, Bereicherung, Solidarität und Einsatz für Benachteiligte verbunden. Es geht allein um die moralische Suggestion. Sachargumente stören nicht nur, es geht ausdrücklich darum, ihren Austausch, ja ihre Benennung zu blockieren. […] Woher kommt die disziplinierende Wirkung eines Vokabulars, das den authentischen Erfahrungen so vieler widerspricht und ihren gesunden Menschenverstand beleidigt? Die verkehrte Sprache steht nicht für sich selbst, sondern sie exekutiert politische Macht. Über Macht verfügt, wer seine Sprache an die Öffentlichkeit tragen und durch sie Verbindlichkeit in der Gesellschaft stiften kann. Es kommt gar nicht darauf an, daß die Adressaten den verbreiteten Unfug tatsächlich glauben. Wichtiger ist zunächst nur, daß sie instinktiv erkennen und verinnerlichen, was die Autoritäten von ihnen erwarten, was sie öffentlich äußern dürfen oder worüber sie schweigen müssen.

Die permanente Abrichtung durch Schulen, Universitäten und Medien führt schließlich zu Pawlowschen Reflexen, die zuerst das öffentliche Verhalten, dann die Sprache und schließlich auch das Denken bestimmen. Für die schweren Fälle gibt es schließlich die in Volksverhetzungsparagraphen gegossene juristische Drohung. […] Während das Staatsvolk, der Demos, sich in eine nach dem Pawlow-Prinzip reagierende Schafherde verwandelt, stellen Journalisten die sprachpolitischen Kettenhunde: Wachsam, bissig, aber auch ängstlich und gerade deshalb so –aggressiv. Die Jörges, Plasbergs, Prantls oder Wills sind, selbst wenn ihre persönliche Einstellung mit den gemachten Vorgaben konform geht, nur scheinbare Herren (und Damen) des Spiels“,

sondern in Wirklichkeit nur beruflich abhängige Nachplapperer und Verbreiter von „Wortungetümen“ als „Ausdruck einer globalistischen Ideologie“.

Zu dieser Sprachdisziplinierung gehört auch der leichtfertige Umgang mit zahlreichen dämonisierenden Antis, die unsere politische Welt bevölkern.

Dabei bin ich wahrlich nicht antieuropäisch, wenn ich zögere, uferlos ausländische Schulden zu übernehmen, und Deutschlands Wirtschaftskraft für zu schwach halte, die Gesamtlasten einer jahrzehntelang verfehlten Finanz- und Sozialpolitik zu tragen. Ganz davon abgesehen, dass ich schon unsere hausgemachten Etat-Sünden für ausgesprochen zukunftsschädlich halte.

Ich bin nicht antiamerikanisch, wenn ich mit der Nonchalance diverser US-Präsidenten ein Problem habe, Gott und die Welt zu befreien, wo immer es in ihrem Interesse zu liegen scheint. Es hat nun mal seinen Sympathie-Preis, wenn man so forsch Weltmacht spielt und dem Globus einen way of life nahelegt, den man, gelinde gesagt, nicht mögen muss.

Ich bin nicht antisemitisch, wenn ich mich den jeweiligen Tageshysterien einer Gesinnungsindustrie verweigere, deren ursprüngliche Berechtigung längst zum Lobbyisten-Selbstläufer verkommen ist.

Ich bin nicht misogyn, weil ich von Frauen- wie anderen Quoten, die übrigens im Bergwerk oder bei Schacholympiaden niemand fordert, schlechterdings gar nichts halte, dafür mehr von organischer Entwicklung.

Und ich neige nicht deshalb schon zu Homophobie, weil ich glaube, dass das Intimleben generell die Öffentlichkeit nichts angeht und ein zweigeschlecht­liches Elternpaar um der Heranwachsenden willen die vom Staat zu fördernde Bestlösung darstellt.

Ich bin nicht Antiislamist, weil ich es ablehne, das hiesige Gesellschaftsleben an fremden Traditionen auszurichten, wo ich doch gleichzeitig davon abrate, unser westliches Polit- und Sozialmodell per arabischen oder sonstigen Frühlingen anderen Kulturen aufzupfropfen. Ich bin keineswegs unempfänglich für uns wenig vertraute Lebensstile, aber zu Hause ziehe ich nun mal näherliegende Optionen.

Auch ist nicht Antikosmopolit oder Rassist, wer in den wenig gebremsten Immigrantenströmen aus der Dritten Welt ein beachtliches Gefahrenpotential erkennt. Dass grundsätzliche Offenheit und Toleranz dem Fremden gegenüber nicht mit der Aufgabe des Eigenen oder einer Bereitschaft zu ungezügelter von uns finanzierter Einwanderung zu verwechseln ist, muss heute leider eigens betont werden.

Kurz: Ich halte dieses ausufernde Anti-Gerede, das kurioserweise ausgerechnet den grassierenden Antigermanismus übergeht, inzwischen für eine allzu billige Methode, Widerspruch zu verhindern oder Privilegien zu ertrotzen. Es besteht denn auch wenig Grund, dergleichen begrifflichen Rosstäuschereien allzu nachsichtig zu begegnen. Denn die folgenreichen Umdefinierer sind meist weniger naive Gutmenschen als beinharte Ideologen. Und was als Antidiskriminierung zunächst breite Zustimmung erfuhr, mutiert binnen kürzester Zeit durch die Aufladung der Begriffe mit zahllosen Wünschbarkeiten zu einem Diskriminierungsinstrument ersten Ranges.

Und es bleibt ja nicht einmal bei Verbalem. Fast jeden Monat können Sie nichtkonformen Nachrichtenquellen entnehmen, dass mal wieder irgendeine Veranstaltung von einschlägigen (meist öffentlich gefütterten) Randalegruppen gestört wird. Man übt Druck auf Vermieter aus wie in Dresden, weil Felix Menzel einen alternativen Diskussionsraum eröffnete. Das Berliner Logenhaus, in dem im Oktober die konservative Messe „Zwischentag“ stattfand, wurde belagert, jeder Teilnehmer gefilmt, um in eine politisch korrekte „Straftäterdatei“ eingegliedert oder an den Internet-Pranger gestellt zu werden. Vor kurzem erlebte Jürgen Elsässer mit seiner Leipziger Compact-Tagung „Für die Zukunft der Familie“ die mittlerweile schon gewohnte gewalttätige Blockade, bei der die Polizeiführung eine jämmerliche Rolle spielte und den Teilnehmern keinen angemessenen Schutz gewährte.

Referenten waren übrigens u.a. Thilo Sarrazin, Monika Ebeling, die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte von Goslar, die ihren Auftrag wörtlich genommen und auch Männerbelange berücksichtigt hatte, oder die Ärztin Dorothea Böhm, die gegen eine zu frühe Mutter-Kind-Trennung plädierte. Eva Herman hatte wegen Drohungen gegen ihre Familie abgesagt. Solche Zustände gehören heutzutage – leider muss man das sagen – zum Politbusiness as usual in einem Land, das Joachim Gauck täglich als zunehmend bunter und glücklicher präsentiert. Und noch eins: Bei der Tagung waren zwei russische Duma-Abgeordnete anwesend, die nun hautnah erlebten, wie bei uns die demokratische Rede-Kultur funktioniert. Selig die hiesigen Einheits-Medien, die solches nicht für berichtens- bzw. ändernswert halten und deren Charakter es erlaubt, ihre ganze Aufmerksamkeit z.B. auf die Pussy Riot verfolgende russische Justiz zu lenken!

Oder sagen wir’s drastischer: Diese Praxis einschüchternder, teils gar körperlicher Behinderung des freien Meinungsaustauschs durch Antifa-Stoßtrupps oder sonstige Aggressiv-Lobbyisten ist eine politische Pest und Schande für unser Land! Und der Wunsch nach einer Selbsthilfetruppe, die solchen vom Establishment gehätschelten Kriminellen einmal eine robuste Lektion in wehrhafter Demokratie erteilt, liegt nahe. Doch derartige Gedankenspiele blenden historische Negativ-Erfahrungen aus und packen das Problem, das staatlich geregelt werden muss, nicht an der Wurzel. Eine Partei wie die Ihre hingegen könnte ständig mahnen, dass Staaten sich bekanntlich durch das Gewaltmonopol legitimieren und der unsrige aus Opportunität oder Feigheit permanent die vornehmste Pflicht verletzt, seinen Bürgern Sicherheit zu gewähren. Auch dies dürfte ein Thema sein, das über den Tag hinaus zündet. Erwachsen aus einer Zwangslage, könnte es beim Wähler Wachstumschancen eröffnen wie für keine andere Partei.

Jede erfolgreiche Partei hat neben tagespolitischen Reizkomplexen (in Ihrem Fall: dem Euro) eine langfristige Zielsetzung und gesellschaftliche Wertidee. Erst dies hilft über zwangsläufig eintretende Krisen und Schwächen hinweg. SPD oder Linke appellieren an das soziale Gewissen und die internationale Solidarität. Die CDU hat christliche Wurzeln, auch wenn man das kaum noch merkt. Die Grünen vermarkten die Ökologie, und die Liberalen waren einst Freiheitswächter, ein Ruf, den sie zugunsten bloßer Machterhalt-Versuche zu Recht eingebüßt haben. Hier liegt das Vakuum, das von der AfD mit größerer Berechtigung besetzt werden sollte. Hier zeigt sich ihre historische Aufgabe und Chance.

Denn zu den gravierendsten Konfliktfeldern dieser Republik gehört die Frage nach tatsächlicher Meinungsfreiheit. Zwar gibt es offiziell keine Zensur, aber andere Methoden gesellschaftlicher Ausgrenzung: von der persönlichen Schmähung über den Ausschluss von der öffentlichen Debatte oder bestimmten Karrieren bis zum Dulden von Straßen-Gewalt oder juristischer Sanktion. Über unsere innere Verfassung hat sich der Passauer Rechtsphilosoph Johann Braun 2008 in „Wahn und Wirklichkeit“ geäußert, was ihm bezeichnenderweise ein (nach Jahren eingestelltes) Disziplinarverfahren eintrug.

„Eine freie Gesellschaft“, schrieb er, setze „mehr voraus als das ‚Papierformat der Freiheit‘. Wo es an freiheitlicher Gesinnung fehlt, bleibt die liberalste Verfassung ohne Leben“: „Denn obgleich die freie Rede zum Lebenselement der Demokratie gehört, muß man hierzulande über die wichtigsten Fragen […] strenges Stillschweigen bewahren. […] Hinter der Fassade einer freiheitlichen Rechtsordnung ist eine unfreiheitliche Realordnung entstanden. Diese legt fest, wann und zu welchem Zweck von der rechtlichen Freiheit Gebrauch gemacht werden darf. Die Herrschaft über diese gedankenpolizeilichen Metaregeln liegt in den Händen derer, die sich auf die Kunst verstehen, an allen Rechtsnormen vorbei unkontrolliert politische Macht auszuüben.“

Man darf diese öffentlich geförderte Duckmäuserei in seiner Verheerung der Gemüter nicht unterschätzen: Nach Kommunismus und Nationalsozialismus dämmert hier innerhalb eines knappen Jahrhunderts langsam bereits der dritte Totalitarismus herauf, getarnt als universalistische Toleranz, Emanzipation, Antidiskriminierung oder „herrschaftsfreier Diskurs“. Man soll gegenüber den mörderischen Vorgängern die Dimensionen nicht verzerren. Aber äußerst beschämend ist das uns gegenwärtig applizierte Gutmenschentum fraglos ebenso, bei dem staatliche „Fürsorger“ ständig festlegen, was wir zu denken bzw. wovon wir informationsmäßig unsere Finger zu lassen haben. Es verpestet die Seelen in einem Maße, dass uns vielleicht schon die nächste Generation fragen wird, wieso wir dagegen denn gar nichts unternommen haben.

So leisten wir uns die vermutlich aufwändigste Geschichtsforschung aller Zeiten und Länder mit Dutzenden Instituten, Archiven, Zehntausenden von Veröffentlichungen und Abermillionen verfilmter Akten. Aber um sie wirklich fruchtbar zu machen, fehlt eine Atmosphäre, wonach all dies zu einem echten Wettbewerb der besten Deutungen führen kann. Stattdessen herrscht im Bereich Zeitgeschichte eher ein Wissenschaftsdialog, der sich mehrheitlich als aktuelle politische Legitimationshilfe begreift und am Modell von Ketzerprozessen orientiert. Die Bannbulle unverdrängbar im Hintergrund.

Auch ein Blick auf unsere Justiz ernüchtert. Befinden wir uns aufgrund von gesamtgesellschaftlichen Vorgaben doch längst in einer Grauzone, wo der rechtsstaatliche Anspruch ziemlich glanzlos geworden ist. Völlig ausgeufert ist ein hysterischer „Kampf gegen Rechts„, der inzwischen elementare Grundrechte wie das Demonstrations- und Versammlungsrecht (s. Köln oder Dresden!) ständig infrage stellt oder weiter beschneidet (vgl. Horst Meier: Protestfreie Zonen, 2012), und die politische Kampfzone täglich mehr von wirklichen oder mutmaßlichen Extremisten hin in Richtung Mitte verlagert. So sind zahlreiche Nonkonformisten, darunter sogar Angehörige der Jungen Union und der AfD, den medialen Breitseiten auch öffentlich-rechtlicher Diffamierung ausgesetzt, wobei häufig nur eine unfundierte Denunziation genügt.

Von Insidern erfährt man, unter welchen (Karriere-)Pressionen Richter stehen oder welchem staatlicherseits zumindest geduldeten Einschüchterungsszenario ein Strafverteidiger ausgesetzt ist, der es doch tatsächlich wagt, einen öffentlich bereits vorverurteilten Mandanten auftragsgemäß zu vertreten. Thor von Waldstein hat in seinem Vortrag „Totalitärer Liberalismus?“ auf die Absurdität aufmerksam gemacht, dass ein Verteidiger vor Verlesung seines Beweisantrags das Gericht bitten muss, die Öffentlichkeit auszuschließen, um nicht in Wahrung seiner Pflichten möglicherweise selbst den Tatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen.

Auch anwaltliche Beratung kann bei hiesigen Reizthemen zum Dilemma werden, weil man nie ganz absehen kann, welcher Angriff auf eine heilige Kuh gerade jetzt per Justiz kontaminiert ist. Der gesunde Menschenverstand hilft hier wenig im Gegensatz zu Metternichs Vorzensur. Heute, schreibt von Waldstein, sei dies prekärer. Denn der Straftatbestand sog. „Volksverhetzung“ – übrigens „eine interessante Parallele zu den Strafrechtsnovellen der DDR betr. die sog. ‚staatsfeindliche Hetze‘“– entbehre jeglicher Berechenbarkeit, so daß man „praktisch in jedem Zweifelsfall von der Veröffentlichung eines kritischen Textes abraten“ müsse. Die Folgen unterschätzter Risiken produzierten in den vergangenen zehn Jahren „bundesweit über 120.000 Verfahren, eine Zahl, die höher ist, als die Gesamtzahl analoger politischer Strafverfahren“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Was immer gegenüber dieser Statistik Relativierendes eingewandt werden mag – das sind ungeheuerliche Zahlen, die beschämen und eine demokratische Bankrotterklärung darstellen. Und zur Kennzeichnung der Atmosphäre vor Gericht sei ein Leipziger Philosophiestudent zitiert, der als Zuschauer eines solchen Politprozesses von Waldstein gegenüber gestand: „Wenn man hier zwei Stunden zuhört, vergißt man neun Jahre Gemeinschaftskundeunterricht.“

Geradezu grotesk wird es, wenn gerichtlich feststellt wird, eine Demokratie-Erklärung für Leute zu fordern, die andere öffentlich als undemokratisch ausgrenzen, sei illegal. Und was dem Ganzen die Krone aufsetzt: Alles geschieht vor dem Hintergrund einer Entwicklung, bei der die EU-Befugnisse für deutsche Finanzen und Gesetzgebung in einer Weise ausgedehnt wurden, die an kalten Staatsstreich denken lässt und nicht nur für Karl Albrecht Schachtschneider eigentlich zivilen Widerstand legitimiert. Oder in einem politischen Rahmen, in dem die gegenwärtige NRW-Regierung geradezu vorsätzlich verfassungswidrige Haushalte einbrachte.

Das sind die wichtigsten Misstände. Und was immer Demoskopen ermittelt haben mögen: Für die beeindruckende Mobilisation von AfD-Wählern aus dem Stand heraus war dieser Aspekt gewiss maßgeblich. Ich schließe es aus Reaktionen in meinem Bekanntenkreis. Und auch wenn mir unsere vertragsbrüchige Europa-Finanzpolitik per Inflation letztlich wohl ein Drittel meiner Rente stiehlt, sehe ich das politisch zu behebende Hauptdefizit gleichfalls im Ideellen. Folgen Sie dieser Mission! Befreien Sie uns von einem Korrektheits-Terror, der wie Mehltau auf Deutschland liegt!

Hier geht es nicht nur um Seelenwehwehchen intellektueller Kleinstzirkel. Es geht alle an, und wird schichtenübergreifend wahrgenommen. Als Testballon habe ich im April dieses Jahres in der Zeitschrift „eigentümlich frei“ zur Gründung einer „Gesellschaft zum Schutz der Meinungsfreiheit“ aufgerufen. Sie sollte jenseits von jeglichem Politprogramm lediglich allen unberechtigterweise öffentlich Geschmähten helfen, die mit den gängigen Totschlagkeulen traktiert werden. Die Reaktion darauf war bemerkenswert. Weniger dadurch, dass man mir meine Website zerstörte – sowas ist hierzulande handelsüblich –, als dadurch, dass mir auf einen einzigen Artikel hin zahlreiche Interessierte aus allen Schichten der Bevölkerung schrieben, einige sogar mitarbeiten und spenden wollten. Sie bestätigten die massive Tendenz, Andersdenkende auszugrenzen, und einen zunehmenden Verdruss.

Eine ähnliche Atmosphäre des Engagements und Sich-Wehrens konnte man in den Monaten vor der Bundestagswahl beim Thema „AfD“ spüren. Es war Ihr Erfolgsgeheimnis, sich am Beispiel des Euro gerade nicht um die weitgehend absurden „geistigen“ Verbot-Zonen zu scheren. Es sicherte Ihnen die Sympathien derer, die die bundesrepublikanische Stickluft einfach nicht mehr ertrugen, im Bewusstsein, dass nicht das Establishment und deren Medien, sondern die Protagonisten der Freiheit das eigentliche Deutschland verkörperten. Diese Herkunft bzw. Zielsetzung, sich dem, was das offizielle Berlin sagt, zu verweigern und dafür notfalls öffentlich Prügel einzustecken, ist ein geistiges Kapital, mit dem Sie wuchern und das Sie sich nicht abhandeln lassen sollten.

Es geht bei der zu verteidigenden Zitadelle „Meinungsfreiheit“ schließlich um ein Zentrum, das alles andere beeinflusst. Sie zurückzuerobern, scheint mir daher noch wichtiger als diese oder jene Sachlösung. Denn im vollen Umfang schafft sie überhaupt erst wieder Voraussetzungen, erfolgversprechend Alternativen zu formulieren – gerade für Deutschland, wo ein Jakob Augstein das Gegenteil empfiehlt und den Deutschen rät, lieber „mit den Partnern in Europa das Falsche zu tun, als allein auf dem Richtigen zu beharren.

Wenn nämlich dieser dauerkujonierte, in seinem Selbstbewusstsein erschütterte Politpatient „deutscher Staatsbürger“ erst einmal merkt, dass er seit Ewigkeiten von dilettantischen Heilern verarztet wird, die selbst dringend der Therapie bedürfen, könnte es in der Tat ein kleines gesellschaftliches Erdbeben geben. Und wenn Habermas‘ hochgelobter, aber nicht einmal von ihm selbst befolgter „herrschaftsfreier Diskurs“ in diesem Lande tatsächlich einmal durchgesetzt würde, führte dies zu einer anderen Republik.

Denken Sie immer daran, dass das, was Sie täglich von Bildschirmen, aus Druckerpressen oder Radiogeräten serviert bekommen, häufig gar nicht die Auffassung der Mehrheit, sondern die einer überschaubaren Clique ist. Allerdings hat sie sich durch zielgerichtete Intriganz und skrupellose Ausgrenzung der dominierenden Kommunikationsmittel des Landes bemächtigt. Und da diese Besatzer der öffentlichen Meinung viel zu verlieren haben, zittern sie jetzt, nicht grundlos, vor einer neuen Freiheit und malen für diesen Fall den Teufel an die Wand. In Wirklichkeit würden sie dann endlich einmal nur mit dem konfrontiert, was bei einer früheren Politikwende zu Willy Brandt & Co. unter dem Slogan lief: „Mehr Demokratie wagen!

(Prof. Dr. Günter Scholdt, im Dezember 2013)